Winterzauber in New York (Julia K. Stein, Carlsen-Verlag, 2016)

Winterzauber in New York (Julia K. Stein, Carlsen-Verlag, 2016)

Und? Wie war dein Weihnachten?

Diese Frage haben wir alle in den letzten drei Wochen wohl relativ häufig gehört. Die Antwort mag vielfältig ausfallen (total schön familiär, echt trubelig, einfach ein Chaos, furchtbar, wir haben nicht gefeiert, das schönste Weihnachten seit Jahren, …), aber Hannah hätte eine andere Antwort gehabt, die wahrscheinlich folgendermaßen ausgesehen hätte: „Unerwartet. Definitiv anders als gedacht, aber wider Erwarten schlussendlich doch echt schön.“

Denn Hannah ist pünktlich zum Weihnachtsfest in New York am Flughafen gestrandet, da auf Grund eines Schneesturms alle Flüge gecancelt wurden. Die Vorstellung, Weihnachten nicht bei ihrer Familie in Deutschland zu sein und jetzt nicht einmal eine Unterkunft, geschweige denn Geld zu haben, ist das Schlimmste, was ihr an diesem Tag passieren konnte. Zu allem Überfluss läuft ihr dann auch noch (in Flip-Flops!) ihr Kommilitone Kyle über den Weg, der wohl größte Womanizer des Colleges. So wenig sie ihn auch ausstehen kann, auch sein Flug nach Barbados wurde gestrichen und sie sehen relativ schnell ein, dass sie die nächsten Stunden wohl miteinander verbringen werden müssen. Und vielleicht ist das ja immerhin besser, als alleine am Flughafen zu sein und vielleicht könnte er ihr ja auch helfen, eine Bleibe zu finden …?
Fakt ist, dass sie sich einig sind, dass Weihnachten nicht ausfallen darf und sie das Beste aus der Situation machen müssen. Wann erlebt man schonmal New York zutiefst verschneit an Weihnachten?

Ach, dieser Roman ist etwas für schmelzende Herzen. Für mich wäre es genauso unvorstellbar wie für Hannah, Weihnachten nicht nach Hause fahren zu können, aber um ehrlich zu sein, konnte ich mein Weihnachten zuhause dadurch nochmal ganz anders genießen. Bzw. sagen wir es mal so: Es hat mir ein sehr glückliches Lächeln ins Gesicht gezaubert. 😊
Ich habe mir beim Lesen manchmal schon gedacht: ‚Ey Kyle, trag nicht so dick auf‘ oder: ‚Och Hannah, jetzt sprich ihn doch einfach drauf an‘, aber es ist total spannend gewesen, zu sehen, wie beide in ihrer Rolle gefangen waren und wie sie letztendlich immer ein Stückchen weiter aus sich herausgekommen sind und sich so besser gegenseitig kennengelernt haben.
Es ist definitiv mal eine andere College-Romanze, da sie sich faktisch nur in den ‚vier Wänden von New York‘ abspielt, ihre gemeinsame College-Zeit aber die ganze Zeit zwischen ihnen steht.

Für mich war das jedenfalls ein super Buch für die Tage unmittelbar vor Weihnachten, ich konnte mit dem Aufschlagen des Buchdeckels in ihre Welt abtauchen und alles andere ausblenden. Dabei ist es auch wirklich leicht und schnell zu lesen, sodass es sehr entspannend war. Und zugegebenermaßen – der Humor von allen beiden ist super! Das eine oder andere Mal musste ich herzlich lachen.

Wer von euch also auch noch ein bisschen in den letzten Zügen der Weihnachtsstimmung ist, greift zu! Mit einem Tee und einem Stück Schoki ist der Roman perfekt für einen verregneten Tag. Und auf wen das nicht zutrifft: In 11 Monaten ist wieder Weihnachten!

Lena

Was hättet ihr an einem Tag in New York, wo es schneit wie verrückt, machen wollen?

Die Schule am Meer (Sandra Lüpkes; 2020; Rowohlt-Verlag)

Die Schule am Meer (Sandra Lüpkes; 2020; Rowohlt-Verlag)

„Es war das Los der Lehrer, dass das Erreichen des Ziels zugleich auch den Abschied bedeutete.“

1925 wird auf der kleinen Insel Juist zwischen Wattenmeer und Nordsee von ein paar Lehrern die „Schule am Meer“, die erste reformpädagogische Schule in Deutschland, gegründet. Mit dabei sind Anni und Paul Reiner, die ihr ganzes Herzblut in die Errichtung des Internats stecken. Der Fokus soll auf dem gleichberechtigten Miteinander und dem praktischen Lernen im Einklang mit der Natur liegen. Sogar der große deutsche Dirigent Eduard Zuckmayer kommt als Musiklehrer auf die Insel, da die Schule Lehrern sowie Schülern eine Chance, und die Insel ihnen ein Zuhause bietet.

Doch auch die kleine, von der Welt abgeschottete Insel, auf der die Zeitung immer erst zwei Tage zu spät ankommt und die im Winter bei eisiger Kälte keine Möglichkeit hat, sich zu versorgen, wird von der Entwicklung in der Politik eingeholt. Und so ist man sich auf der Insel nicht einig, was man von der Schule halten soll, die bei vielen auch als „Hort für Kommunisten und Juden“ verschrien ist. Und so drohen jahrelange Arbeit der Gemeinschaft langsam auseinanderzubrechen …

Die Autorin, die selbst auf Juist aufgewachsen ist, hat in diesem Roman die Geschichte einer Schule festgehalten, die zu großen Teilen vergessen oder links liegen gelassen wurde. Auf ihrer Recherche-Reise ist sie den Lehrern und Schülern ins Tessin, nach Berlin und natürlich nach Juist gefolgt und hat die Schule am Meer wieder aufleben lassen. In dem Roman erzählt sie die Geschichte im Wechsel aus den verschiedenen Perspektiven der Protagonisten, und so kommt sowohl die Familie Reiner, wie auch der Schüler Moskito, das Küchenmädchen (und vieles anderes) Marje und der (unter anderem) Gemeindediener Gustav Wenninger „zu Wort“. Durch diesen Wechsel bekommt der Leser ein sehr eindrucksvolles Bild der verschiedenen Ansichten und Meinungen auf der Insel und auch von der Grundstimmung, die dort herrschte und die die Menschen geprägt hat. Die Geschichte basiert in erster Linie auf dem Logbuch der Schule, das der Schulleiter Luserke sehr penibel führte.

Insgesamt ist der Roman lebhaft, gefühlvoll und beschreibend geschrieben, wodurch man beim Lesen ein unglaublich gutes Bild der Umstände bekommt, sich aber gleichzeitig sehr gut in die Situation der einzelnen Kinder und Lehrer hineinversetzten kann. Ich habe die Geschichte sehr gerne gelesen und konnte dieses etwas dickere Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Eine echte Ferienlektüre für jedermann!

Lena

Wärt ihr gerne auf die Schule am Meer gegangen? Und wie hättet ihr euch an Annis Stelle verhalten, als sie vor der schweren Entscheidung stand, wie sie ihre Zukunft gestalten soll?

10 Tage im Herzen der Ferne (Nico Mateew; 2021, self-publisher)

10 Tage im Herzen der Ferne (Nico Mateew; 2021, self-publisher)

„Wer wenig braucht ist frei.“ (Zitat aus ‚10 Tage im Herzen der Ferne‘)

Was macht man, wenn man einen gut bezahlten und sicheren Job in einer großen Firma hat, der einen aber eigentlich nicht erfüllt? Und woran merkt man das? Ist es einem plötzlich klar oder ist es ein Prozess, in dem man immer unzufriedener wird?

Nico Mateew beschreibt diesen Vorgang und die Flucht daraus in seinem Buch „10 Tage im Herzen der Ferne“. Zunächst wird die Entwicklung des Managers in der besagten Firma beschrieben, in der er sich zunehmend die Frage stellt, ob es überhaupt jemand merken würde, wenn er plötzlich nicht mehr da wäre … Auf einer Reise in Bulgarien beschließt er, für 10 Tage rauszukommen und wegzufahren. Doch wohin?

Das Ziel wird Albanien. Und weil er nicht einfach nur Urlaub machen möchte, sucht er sich zwei Begleiter, mit denen er einen Film drehen möchte – eine Dokumentation über ein unbekanntes Land, seine Menschen und deren Küche. Doch einmal in Albanien angekommen funktioniert sein Plan plötzlich nicht mehr so, wie er es sich vorgestellt hat und auch er muss lernen, sich auf das Land einzulassen. Bei diesem Prozess entstehen spannende, interessante, lustige und bewegende Gespräche, die einen Albanien von seiner ganz eigenen Seite kennenlernen lassen …

Dieses Buch thematisiert sehr anschaulich und verinnerlichend die Wirkung von Vorurteilen. So besteht ja häufig zum Beispiel ein gewisses Misstrauen gegenüber der Bevölkerung der in manchen Teilen etwas weniger entwickelten osteuropäischen Länder, jedoch ist es eigentlich so, wie Jetmir im Buch sehr treffend formuliert: „Die Gedanken sind frei, und derjenige, der kompliziert denkt, ist ein Problem für sich selbst, andere wissen ja nicht, dass man schlecht über einen denkt.“

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich einen Augenblick gebraucht habe, um die Geschichte gerne zu mögen, denn der Alltag in der Firma hat sich sehr gezogen. Aber letztendlich war es genau das, was am Ende diese besondere Wirkung hervorgerufen hat. Man soll Vorurteile begraben, offen für Neues sein und den Tag leben und nutzen, das ist die Nachricht von diesem Buch. Mateew schreibt in seinem Nachwort ein Zitat von Sir Philip Anthony Hopkins auf: „Keiner von uns kommt hier lebend raus. Also hört bitte auf, euch als Nebensache zu betrachten. Esst köstliches Essen. Spaziert im Sonnenschein. Springt in den Ozean. Sagt die Wahrheit und tragt eure Herzen auf der Zunge. Seid albern. Seid nett. Seid komisch. Für nichts anderes ist Zeit.“

Habt ihr so auch schonmal gedacht? Dann lest unbedingt dieses Buch! Habt ihr nicht so gedacht? Lest das Buch trotzdem! Denn es öffnet einem wirklich die Augen und man lernt nochmal die ein oder andere Seite von sich selbst kennen …

Lena

Und? Wer hat Lust, nach Albanien zu fahren? Und ging es euch auch schonmal so in einem Land?

Eine Nacht im November (Katja Maybach; 2007 – Droemer Knauer Verlagsgruppe)

Eine Nacht im November (Katja Maybach; 2007 – Droemer Knauer Verlagsgruppe)

Wie würdest du reagieren, wenn du anlässlich der Beerdigung deiner Mutter erfährst, dass dein Vater ursprünglich mal deine Großmutter geliebt hat?

Sarah von Schröder ist die Tochter eines gefragten Anwalts in München und soll in Kürze heiraten und mit ihrem zukünftigen Ehemann die Kanzlei ihres Vaters übernehmen. Doch eine Woche vor der Hochzeit erfährt sie von dem Tod ihrer Mutter, die sie und ihren Vater verlassen hat, als Sarah fünf Jahre alt war. So fliegt sie spontan nach Paris, um endlich hinter die Geheimnisse ihrer Familie zu kommen, da sie sich erhofft, vor Ort mehr Antworten zu bekommen als von ihrem Vater. Doch in Paris angekommen wird sie alles andere als freundlich empfangen und als Tochter des Nazis bezeichnet. Dieser Vorwurf trifft Sarah tief und sie beschließt, länger in Paris zu bleiben, um mehr über die Vergangenheit ihrer Familie zu erfahren.

Als sie im Haus ihrer Mutter ein Foto von ihrem Vater mit ihrer Großmutter aus deren jungen Jahren entdeckt und mit ihrer hasserfüllten Großtante Lea in Kontakt kommt, ist Sarah kurz vor dem Verzweifeln und weiß gar nicht mehr, wem sie nun vertrauen kann und wer ihr die Wahrheit erzählt.

Rebecca ist Sarahs Großmutter. Sie ist Jüdin und lebte ihre Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie spielte sehr gut Klavier und bewunderte den Musiker Eli Moses, den sie später auch heiratete. Aber welche Rolle spielte Rolf von Schröder in ihrem Leben? Und was ist in der Nacht vom 9. November geschehen, als Eli Moses, Sarahs Großvater, starb? Mit diesem Fragen reist Sarah nach Frankreich, aber die Person, die ihr erzählen könnte, wie es wirklich war, ist unerreichbar …

Ich war gefesselt und zutiefst beeindruckt von diesem Roman. Mich hat fasziniert, wie Katja Maybach die Vergangenheit, und somit der Zeit des Nationalsozialismus, mit der Gegenwart, in der wir leben, verknüpft hat. Ich habe mich mit Rebecca in Rolf verliebt und war mit Sarah zusammen wütend auf ihn. Ich habe Eli Moses durch Rebeccas Augen gesehen und ihn durch ihre Ohren gehört und habe somit ihren tiefen Schmerz gefühlt. In meinen Augen kommen in diesem Roman nur ein Bruchteil der Probleme zur Sprache, die der Nationalsozialismus hervorgerufen hat. Aber was das NS-Regime für Juden bedeutet hat wird beeindruckend lebensnah beschrieben und ich bin beeindruckt von den Eindrücken, die mir die Geschichte vermittelt hat.

Ganz zu Beginn hat mich das Buch sehr an „Leas Spuren“ von Bettina Storks erinnert und auch nach dem Lesen sage ich, dass die Grundidee der Romane dieselbe ist. Aber während sich der andere Roman auf den Kunstraub fokussiert, geht es in diesem Fall mehr um die Liebe und das Leben allgemein der Juden. Alle die Leser, die „Leas Spuren“ gelesen haben, werden mit Freude in diese Geschichte eintauchen, denn die Themen ergänzen sich ideal!

Lena

Könnt ihr verstehen, dass Sarah so wütend auf ihren Vater war? Und hat vielleicht einer von euch eine ähnliche Geschichte in der Familie? Schreibt es in die Kommentare! 😊