Als die Welt zerbrach (John Boyne, 2022, Piper Verlag)

Als die Welt zerbrach (John Boyne, 2022, Piper Verlag)

„Ich habe die Macht genossen, die ich hatte, das ja. Es war ein aufregendes und beängstigendes Gefühl zugleich. Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen? Ich war Soldat. Und Soldaten gehorchen Befehlen. Hätte ich mich geweigert, wäre ich erschossen worden.“ (Aus ‚Als die Welt zerbrach‘)

Im Jahr 2022 lebt Gretel Fernsby in ihrer Londoner Wohnung, von wo aus sie mit ihren über neunzig Jahren ein ruhiges Leben führt. Sie hat ein neues Leben angefangen und spricht niemals über ihre Flucht aus Deutschland, den Tod ihres Bruders oder über ihren Vater, der Kommandant in einem Konzentrationslager war. Eines Tages zieht unter ihr eine junge Familie mit einem neunjährigen Sohn, Henry, ein. Gretel wird von Zeit zu Zeit Zeugin von körperlicher Gewalt in der Familie und hat diese einmalige Chance, den Jungen zu retten, wo sie es doch bei ihrem Bruder nicht konnte. Zudem könnte sie endlich ein kleines Bisschen ihre Schuld sühnen, denn auch wenn sie ihre Vergangenheit hinter sich gelassen hat, trägt sie diese seitdem mit sich herum. Doch wenn Gretel dies tun will, dann steht ihre zurückgezogene Existenz auf dem Spiel, denn sie muss offenbaren, was sie fast achtzig Jahre lang verschwiegen hat …

Dieser Roman ist die Fortsetzung des Bestsellers Der Junge im gestreiften Pyjama (John Boyne, 2007, Fischer Verlag). John Boyne erzählt, wie und ob die Tochter eines Kommandanten eines Konzentrationslagers nach dem Krieg mit der Schuld, die sie womöglich auch trägt (?) leben kann. Ja, hat sie Schuld oder nicht? Haben die jungen Soldaten Schuld, die im Konzentrationslager arbeiten mussten oder ansonsten erschossen wurden? Hat die gesamte Gesellschaft Schuld, weil sie durch alle Poren indoktriniert wurde und dadurch mal bewusst, mal unbewusst mitmachte? Der Roman ist immer aus Gretels Sicht, aber zu verschiedenen Zeiten geschrieben. Unmittelbar nach dem Krieg lebt sie mit ihrer Mutter in Paris, wo sie versuchen, sich ein neues Leben aufzubauen. Mit Anfang zwanzig lebt Gretel eine Weile in Sydney, getrieben von ihrer Schuld in Europa. Doch sie kommt zurück und zieht nach London, wo sie nun als Rentnerin erzählt.

Ich fand es sehr spannend, ihre unterschiedlichen Entwicklungsstufen zu entdecken. Immer das gleiche Gefühl der Angst, entdeckt zu werden, immer der selbe Antrieb – die Schuld, aber doch jedes Mal in jeder Stadt ein anderer Umgang damit, denn es geht ums Überleben. Mehr zählt nicht …

Ich war zu Beginn ein bisschen skeptisch dem Buch gegenüber, denn kann es zu „Der Junge im gestreiften Pyjama“ eine Fortsetzung geben? Für mich endete die Geschichte unweigerlich mit dem Ende des Buches. Aber nein, ich wurde eines Besseren belehrt, denn die Zeit danach ist in diesem Roman unfassbar gut dargestellt durch die Augen einer liebenden und trauernden Schwester. Ein absolutes Muss für alle, die den ersten Teil gelesen haben!

Lena

Schon wieder ein überraschendes Ende, oder? Hättet ihr Gretel diese letzte ‚Sache‘ zugetraut?

Wenn du dich traust (Kira Gembri, Juni 2015, Arena-Verlag)

Wenn du dich traust (Kira Gembri, Juni 2015, Arena-Verlag)

„Wem mache ich hier eigentlich was vor – es waren exakt dreizehn Mal.“ (Lea in „Wenn du dich traust“)

Bei Lea hat alles eine exakte Zahl. Ihre Schritte zwischen ihrem Bett und dem Bad, die Erbsen und Kartoffeln auf ihrem Teller, die Bilder an der Wand, die Steckdosen in der Wohnung und die Blätter des Gummibaums. Sie leidet unter einem zwanghaften Ordnungsdrang und in ihrem Alltag begleiten sie immer Stift und Notizbuch, wo sie alles, und wirklich alles, notieren kann. Das komplette Gegenteil ist Jay, der das Chaos lebt, auf jeder Party der Größte ist und von festen Beziehungen rein gar nichts hält. Unvorstellbar, dass diese beiden so grundverschiedenen Menschen auch nur irgendwie miteinander auskommen können, ohne dass es kracht. Allerdings hat Jay ein Problem – und Lea hat ein Problem. Und die scheinbar einzige Lösung ist eine WG … 3 Jungs der unordentlichsten Sorte, und Lea mittendrin.

Die Geschichte der beiden wird im Wechsel aus Leas und aus Jays Perspektive erzählt. Dadurch bekommt man zunächst einmal einen Einblick in Leas Leben, in dem sie zutiefst unglücklich ist, zum einen, weil sie mit ihren Zwängen leben muss und zum anderen, weil ihre Familie sie keineswegs versteht. Und dann lernt man aber auch Jay kennen, der seine Sozialstunden in der Psychiatrie ableisten muss und feststeckt zwischen den Fehlern seines Vaters und dem Leben, das er selbst gerne führen würde …

Ich fand das Buch sehr spannend und beeindruckend zu lesen, denn gerade Lea hat mir sehr viel gezeigt. Durch sie habe ich verstanden, dass die Sätze „Ah ja, das kenne ich auch“ Oder „Oh ja, ich verstehe was du meinst“ zwar tröstend gemeint sein können, aber in manchen Fällen das genaue Gegenteil anrichten und eine Situation für die betroffene Person nur noch schlimmer machen. Denn zwanghaftes Verhalten kann man nicht nachvollziehen, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Aber auch Jay hat mich etwas gelehrt. Er ist ein Junge, der die Bürde seines Vaters mit sich herumträgt und trotz eigener Geldsorgen und einer Existenznotlage monatlich Geld an seine Mutter schickt. Er ist ein Junge, der ihm verhasste Sozialstunden ableistet und im Nachhinein trotzdem noch versucht, die Schuld seines Vaters zu begleichen. Und er ist ein Junge, der ein Auge für’s Detail hat. Sei es nun beim Fotografieren oder im Umgang mit Menschen, die ihm wichtig sind.

Ich kann wirklich nur sagen: Ein toller Roman! Ich habe ihn durchgerattert und wollte gar nicht mehr aufhören zu lesen. Zudem ist er zwischendurch echt lustig, Kira Gembri schreibt auch hier wieder mit viel Humor. Ich kann euch diesen Roman also allen nur empfehlen, eine sehr leichte, aber unterhaltsame und gleichzeitig tiefgehende Lektüre!

Lena

Kennt ihr Menschen, die ein zwanghaftes Verhalten an den Tag legen? Und wie geht ihr damit um?

Weitere Bücher von Kira Gembri: Wovon du träumst (Kira Gembri; 2017 – Arena-Verlag)

Die Poesie der Liebe (Bettina Storks, August 2022, Aufbau-Taschenbuch-Verlag)

Die Poesie der Liebe (Bettina Storks, August 2022, Aufbau-Taschenbuch-Verlag)

„Was wichtig ist: das Unsagbare, das Weiße zwischen den Worten.“

Der Schweizer Dramatiker Max Frisch, bekannt für seinen ironischen Umgang mit moralischen und individuellen Problemen, verliebt sich auf den ersten Blick in den glamourösen Literaturstar Ingeborg Bachmann, bekannt für ihre einzigartige Poesie. Auch sie verfällt ihrem doch beachtlich älteren Gegenüber, jedoch auf eine andere Art als er. Schon bald müssen sich die beiden ihren verschiedenen Charakteren gegenüberstellen: Es trifft der bodenständige, hart arbeitende und hochgradig eifersüchtige Max Frisch, der sich nach einer festen Beziehung mit allem was dazu gehört sehnt, auf die Freiheit-liebende Ingeborg Bachmann, die sich nicht binden möchte, von der Hand in den Mund lebt und am liebsten immer unterwegs ist. Zudem hat sie die Trennung von ihrer Liebe Paul Celan noch nicht verkraftet, was Max Frisch aber schwer zu schaffen macht und eine Liebe, basierend auf Vertrauen nahezu unmöglich macht. Gemeinsam versuchen sie, ein Arrangement für ein funktionierendes gemeinsames Leben zu finden, reisen dabei durch alle ihre lieben Orte und stellen sich verschiedenen persönlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Doch kann eine solche Liebe bestehen?

Wow, ich bin echt begeistert von dem Roman gewesen! Es ist beeindruckend, wie Bettina Storks so detailgetreu zu diesen beiden Ikonen der Literatur recherchiert hat und somit eine Geschichte schreiben konnte, die einen hautnah an deren Leben teilhaben lässt. Besonders beeindruckt hat mich, wie präzise die Unterschiede zwischen Max und Ingeborg herauskamen und wie auch der innere Konflikt beider beschrieben wurde. Ich selbst hatte zeitweise das Gefühl, zusammen mit Max zu hadern, wenn er sich wieder Zweisamkeit mit Ingeborg wünschte, oder aber ich konnte Ingeborg verstehen, die den Drang hatte, rauszukommen aus der „Gefangenschaft“ des Lebens zweier Autoren.

Ich freue mich sehr, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, diesen Roman zu lesen und ich kann ihn ausnahmslos weiterempfehlen. Gerade diejenigen, die sich für die Geschichten hinter den Geschichten interessieren werden den Roman lieben und gleichzeitig ist die Geschichte aber für jeden etwas, da die spannende Realität in eine packende Geschichte mit offenem Ausgang verpackt wurde.

Vielen Dank an Bettina Storks und ich freue mich, von euch zu hören, wenn auch ihr den Roman gelesen habt!

Lena

Glaubt ihr, dass eine solche Liebe funktionieren kann? Kann man bedingungslos vertrauen, auch wenn man weiß, dass man verschieden zu dem Thema Beziehung und Liebe steht?

Layla (Colleen Hoover, 2020, dtv-Verlag)

Layla (Colleen Hoover, 2020, dtv-Verlag)

Was passiert nach dem Tod? Gibt es eine Chance, dass die Toten noch einmal zu uns zurückkehren?

Auf der Hochzeit ihrer Schwester lernen Layla und der Musiker Leeds sich kennen und lieben. Es ist Liebe auf den ersten Blick und sie scheinen zusammenzupassen wie die Faust auf’s Auge. Sie leben den Traum vieler Jugendlicher, bis Layla Opfer eines Attentats von Leeds‘ eifersüchtiger Ex-Freundin wird. Nach diesem Tag ist Layla nicht mehr dieselbe und gerade Leeds fühlt sich immer weniger mit ihr verbunden. Um ihre Beziehung zu retten, hat er die Idee, das Haus, in dem sie sich kennengelernt haben, zu mieten, damit sie dort einen entspannten Urlaub verbringen können. Doch in diesem Haus scheint es nicht mit rechten Dingen zuzugehen und auch Laylas Zustand verschlechtert sich eher, als dass er sich verbessert. Damit er Layla nicht völlig verliert und er ihr beider Leben wieder ein eine einigermaßen annehmbare Bahn lenken kann, muss Leeds jedoch zu außergewöhnlichen und zweifelhaften Mitteln und Methoden greifen …

„Layla“ ist mal eine etwas andere Geschichte von Colleen Hoover. Ich wurde während des Lesens ehrlich immer wieder überrascht, weil ich mit einigen Ereignissen oder auch Wendungen in der Handlung echt niemals gerechnet hätte. Aber gerade deshalb fand ich es super! Es war nicht das übliche Liebes-Drama, was wir sonst von ihr kennen (und lieben 😉), sondern es gab einen tieferen Hintergrund, den der Leser erst Stück für Stück, zusammen mit Leeds erfasst hat. Es war also, anders als vielleicht einige andere ihrer Romane, ganz und gar nicht vorhersehbar, was als nächstes passiert und ich bin von dem Ende echt überrascht gewesen, gerade weil ich irgendwann an dem Punkt war, an dem ich mir kein Ende mehr ausmalen konnte. Für mich persönlich war es also eine tolle Leseerfahrung!

Insgesamt hat mir besonders gefallen, dass der Roman aufgebaut ist wie ein Rätsel, denn wer kennt sich schon mit verschiedenen Ebenen und Welten aus, in denen wir mit anderen möglichen Lebewesen oder Wesen zusammenleben …? Etwas spirituell – wer hätte es von Colleen Hoover gedacht, aber deshalb umso abwechslungsreicher und spannender. Und zwischendurch auch ganz schön gruselig …

Ich kann euch den Roman wirklich ziemlich uneingeschränkt empfehlen. Den Colleen Hoover – Lesern sowieso, aber auch denen, die davon sonst nicht so angesprochen sind, weil es wirklich einen anderen Kern hat!

Lena

Könnt ihr euch vorstellen, dass es in parallelen Ebenen zu unserer Welt auch noch Leben geben kann? Und hättet ihr gedacht, dass der Roman noch so ein Ende nehmen kann?

The Kissing Booth (Beth Reekles, 2019, ctb-Verlag)

The Kissing Booth (Beth Reekles, 2019, ctb-Verlag)

“Wenn es ist, was du willst, bin ich für dich da, wenn es vorbei ist. Ich werde immer für dich da sein.“ (Lee zu Elle)

Elle Evans hat einen besten Freund: Lee Flynn. Sie gehen in dieselbe Klasse in der Schule, wohnen nur 10 Minuten zu Fuß voneinander entfernt, sind am selben Tag geboren und haben quasi ihre gesamte Kindheit und Jugend miteinander verbracht. Eines Tages steht dann ein Schulfest an, wofür sie als Mitglieder der Schülervertretung einen Stand organisieren sollen. Nach einigem Überlegen kommen sie auf eine „Kissing Booth“. Genial! Doch wegen eines Notfalls muss Elle sich auf dem Fest plötzlich selbst in die Box stellen, und Küsse verteilen. Dabei hätte sie niemals gedacht, dass sie ihren ersten Kuss ausgerechnet in einer „Kissing Booth“ auf einem Schulfest von dem extrem heißen und allseits begehrten Bruder ihres besten Freundes bekommen würde … Noah Flynn, der Quarterback der Footballmannschaft und in mehr Gerüchte und Geschichten verstrickt, als ihm guttut.

Doch als Elle sich eingestehen muss, dass dieser Kuss nicht ganz spurlos an ihr vorbeigegangen ist, steht sie vor einem viel größeren Problem: Wie erzählt man seinem besten Freund, dass man in dessen großen Bruder verschossen ist? Und will Elle das überhaupt? Wo Noah doch echt keinen guten Ruf hat und im kommenden Jahr auf’s College gehen wird? Und will sie dafür ihre Freundschaft mit Lee auf’s Spiel setzten?

Ich habe mich lange dagegen gesträubt, diese Reihe zu lesen, da ich sie ehrlich gesagt als billige Netflix-Serie abgetan hatte. Aber irgendwann hat mich die Neugier dann doch gepackt und ich wollte wissen, was denn nun an der Geschichte so toll ist. Und ehrlich gesagt wurde ich echt überrascht. Das Beste ist der einzigartige Humor. Die Freundschaft zwischen Elle und Lee ist echt beneidenswert und ich hoffe, nicht einzigartig. Denn die beiden verbindet so viel, dass sie wie die Faust auf’s Auge zusammenpassen und perfekt harmonieren. Es ist ziemlich witzig, mit den beiden in der Schule oder zum Beispiel am Pool zu sein und Noah zu ärgern, aber gleichzeitig ist die brüderliche Beziehung zwischen den Flynn-Geschwistern beeindruckend. Doch neben dem Humor, sticht auch der Ernst dieser Geschichte heraus. Die Vater-Tochter-Beziehung zwischen Elle und ihrem Vater ist wunderschön zu verfolgen („Ich möchte nur nicht, dass du irgendwas Dummes machst.“ „Und zwar? Wieder mit ihm zusammen sein?“ „Nein, dir nochmal das Herz brechen lassen.“), gerade vor ihrem familiären Hintergrund … Ein dritter Punkt, denn ich faszinierend fand, war die Tatsache, wie die Protagonisten mit der Zeit gewachsen sind, offensichtlich älter wurden und von Teenagern zu jungen Erwachsenen geworden sind („Vielleicht war alles genau so, wie es sein sollte. Vielleicht fügte sich alles perfekt zusammen.“)

Mein Fazit fällt also sehr viel besser aus, als ich es jemals erwartet hätte. Vor dem dritten Teil habe ich ganz kurz gedacht, puh, vielleicht hätten zwei auch gereicht, aber jedes Buch hatte etwas für sich und ich will das Leseerlebnis des letzten Bandes eigentlich am wenigsten von allen missen! 😊 Also: Top, manchmal denkt man sich vielleicht, „so schwer kann es doch nicht sein“ oder „die Lösung liegt doch auf der Hand“, aber das gehört ja auch irgendwie zu solchen Geschichten dazu!

Lena

Wer hat so eine Freundschaft, wie die zwischen Elle und Lee selbst erlebt? Mögt ihr davon erzählen? Und hättet ihr es gewagt, eure Freundschaft auf’s Spiel zu setzten?

Wenn Liebe eine Farbe hätte (Leonie Lastella, September 2020, dtv-Verlag)

Wenn Liebe eine Farbe hätte (Leonie Lastella, September 2020, dtv-Verlag)

„Manchmal kommt es nicht darauf an, was wir sagen, sondern was wir bereit sind, zu tun.“

Bevor David sich urplötzlich von Everly trennte, waren die beiden seit Jahren das perfekte Paar. Sie liebten sich und allen war klar, dass diese beiden jungen Erwachsenen später in einem Einfamilienhaus mit Kindern und einem weißen Gartenzaun leben würden. Tja, getäuscht. Everly, die in ihrer Unsicherheit, was sie darüber denken soll, niemanden hat, an den sie sich wenden kann oder möchte, braucht nun unbedingt einen Job und einen neuen Mitbewohner, damit sie die Wohnung behalten kann, die ihr unheimlich viel bedeutet. Ihre scheinbar einzige Chance ist es, eine Stelle im „Beach-Café“ anzunehmen, da sie irgendwie ihren ziemlich vollen Alltag managen muss und sie so flexibel bleibt. Allerdings gibt es auch einen dicken Haken, der Weston heißt, Everlys ehemaliger Mitschüler ist, dem sie den aufregendsten Kuss ihres Lebens zu verdanken hat und der leider ebenfalls in besagtem Café arbeitet. So weit so gut, sie arrangieren sich, bis Weston plötzlich aus seiner Wohnung geworfen wird und ihm eigentlich nur eine undenkbare Möglichkeit bleibt: Bei Everly einziehen …

Dieser Roman hat mir unglaublich gut gefallen und war eine wunderbare Ferienlektüre! Leonie Lastella hat viel Humor, Ernsthaftigkeit, Freude, Angst, Liebe und Wut im Gepäck. Es ist unheimlich mitreißend, Everly dabei zu begleiten, ihr bisher so geordnetes Leben, das völlig aus der Bahn geraten ist, langsam wieder aufzubauen und auch Weston verbirgt etwas, wovon er selbst noch erfahren muss, was es eigentlich ist. Aber hängt dieser Punkt eventuell mit der Tatsache zusammen, dass er schlichtweg nicht in der Lage zu sein scheint, zu lieben? Liebe ist für ihn ein Luftschloss, in dem langweile Paare wie Everly und David verrotten, aber ist das wirklich so? Daneben lernt man auch als Leser zusammen mit Everly in diesem Roman viel über Freundschaft, Geduld, Kompromisse und das Leben.

Man könnte meinen, dass dieser Roman ein weiter von einer Reihe schnulziger Liebesgeschichten ist, aber vergessen wir nicht, dass Weston nicht an Liebe glaubt. 😉 Es war das erste Buch, das ich von Leonie Lastella gelesen habe, aber ich freue mich schon, wenn ich die Zeit finde, mir auch die anderen Romane zu vorzunehmen, es ist echt eine Bereicherung! Vor allem, wenn es plötzlich nicht mehr heißt: „Wenn das Leben dir Zitronen schenkt, dann mach Limonade draus.“, sondern die Aufforderung auf einmal lautet: „Wenn das Leben dir Zitronen schenkt, besorg Tequila und Salz.“ Vielleicht bin hier ja nicht die einzige, die dabei an ein paar Freunde denken muss und ein Grinsen im Gesicht hat. 😉

Insgesamt kann ich nur sagen, dass es ein echt süßer Roman ist, ich definitiv Lust auf mehr habe und euch dieses Buch wärmstens ans Herz lege, wenn ihr Lust auf eine leichte Lektüre mit ein wenig Herzschmerz, aber auch Tiefsinn habt.

Lena

Muss eine Beziehung eurer Meinung nach perfekt sein? Und wie hättet ihr an der Stelle von Everlys Oma gehandelt? …

Was wir zu hoffen wagten (Michaela Saalfeld; Juli 2018; Lübbe-Verlag)

Was wir zu hoffen wagten (Michaela Saalfeld; Juli 2018; Lübbe-Verlag)

„Das war’s. Es ist mein Leben und ich will damit anfangen, was gut für mich ist.“

Berlin, 1912: Felice, Willi und Ille, drei Geschwister, die zwei Jahre vor dem Ausbruch des großen Krieges in ihrem ihnen von der Gesellschaft aufgezwungenen Leben gänzlich unzufrieden sind. Felice, eine außergewöhnlich begabte Jurastudentin, wird nicht zum Vorbereitungsdienst und damit auch nocht zum zweiten Staatsexamen zugelassen, nur weil sie eine Frau ist. Somit bleibt der nach Gerechtigkeit strebenden jungen Frau auch verwehrt, Rechtsanwältin zu werden. Willi, sowohl von der Welt des Films als auch von der jüdischen Schauspielerin Recha Süßapfel fasziniert, soll unbedingt das eigentlich nicht mehr zu rettende väterliche Bankgeschäft übernehmen. Und Ille, die jüngste der drei, wünscht sich nichts mehr, als von ihrer Familie und vor allem von ihrer großen Schwester geliebt zu werden. Doch statt in ihrer geborgenen Traumwelt zu leben, ist die in einer Ehe mir einem brutalen Mann gefangen und dringt mit ihren Worten nicht zu ihrer Schwester durch …

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges werden die Leben aller drei Geschwister gewaltig auf den Kopf gestellt, ihr Blick aufeinander verändert sich und Familie bekommt eine ganz neue Bedeutung. Könnte die junge Republik eventuell ihre Chance auf ein neues Leben sein?

Mit hat der Roman unglaublich gut gefallen! Michaela Saalfeld setzt den Fokus nacheinander auf die verschiedenen gesellschaftlichen Probleme, denen sich die Geschwister zu stellen haben. Dadurch ist es zwar nicht möglich, immer alle im Blick zu behalten, da gerade während des Krieges nur die Front oder das Leben in der Heimat sinnvoll und ausführlich thematisiert werden kann, jedoch wird dies ausgeglichen durchhervorragende Recherche und ein exzellent vermitteltes Fachwissen. Die Historikerin und Autorin sagt selbst, dass sie sich mit diesem Roman ihren größten Wunsch erfüllt habe, eine Geschichte über die Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit, über die neunen Medien Fotografie und Film, über die Filmzensur und über mutige Menschen zu schreiben. Ihre Geschichte ist angelehnt an viele einzelne Schicksale, die sie sehr gefühlvoll und faszinierend, wie auch bedrückend zusammengeführt hat. Besonders berührt hat mich Illes Verzweiflung und ihre bedingungslose Liebe zu ihrer Schwester, sowie Willis Liebe zu seinen beiden Schwestern und die Entwicklung, die er zwangsläufig durchmachen muss … Außerdem ziehe ich meinen Hut vor Felices Mut und Kraft, für Gerechtigkeit einzustehen, von ihr könnte sich damals wie heute so manch einer eine Scheibe anschneiden.

Der Roman hat mich sofort angeregt, die Sammlung der Artikel der „Wipers Times“, der Schützengrabenzeitung der Engländer in Ypern, sowie den folgenden Teil dieser Geschichte zu lesen … ich bin gespannt!

Lena

Was glaubt ihr, wie geht es mit den Geschwistern weiter? Können sie sich ihre Träume erfüllen?

Felix ever after (Kacen Callender; 2020 – Lyx)

Felix ever after (Kacen Callender; 2020 – Lyx)

Wer bin ich? Eigentlich dachte der 17-jährige Felix Love, dass er diese Frage endlich für sich beantwortet hätte. Er ist ein Junge. Oder etwa nicht? Eine weitere wichtige Frage, die er sich stellt, ist: Bin ich liebenswert? Denn Felix war noch nie verliebt. Was wenn sich nie jemand in ihn verlieben wird?

Felix geht auf eine Kunstschule in New York und sein größter Traum ist es, ein Stipendium für die Brown University zu bekommen. Seitdem seine Mutter ihn und seinen Vater verlassen hat, reicht das Geld nur noch für das Nötigste und ganz sicher nicht dafür, ein Kunststudium zu bezahlen. Aber er hat sich immer noch nicht auf ein Thema für sein Portfolio festgelegt. Das Portfolio soll zeitgleich sein Abschlussprojekt des Schuljahres und seine Bewerbung für die Brown werden, doch mit der Arbeit hat er als einer von wenigen in seinem Acrylmalerei-Kurs noch nicht angefangen …

Dann passiert etwas, das ihn komplett aus der Bahn wirft. Als er morgens in die Schule kommt, muss er feststellen, dass jemand Fotos aus seiner Kindheit aufgehängt hat. Fotos vor seiner Transition. Gemeinsam mit seinem Deadname. Felix ist nämlich transsexuell. Obwohl er stolz darauf ist, möchte er mit seiner Vergangenheit abschließen und am liebsten alles, was ihn an seine Zeit als Mädchen erinnert, aus seinem Leben verbannen. Zum Glück steht ihm sein bester Freund Ezra direkt zur Seite und hängt die Bilder ab. Doch Felix reicht es nicht, dass man sie nicht mehr sieht. Er möchte herausfinden, wer hinter dieser ganzen Sache steckt, und er hat auch direkt schon einen Verdacht: Declan. Declan war mal mit Ezra zusammen und mit Felix befreundet, bis er die beiden von einem Tag auf den nächsten hat hängen lassen und sie seitdem gemein und herablassend behandelt. 

Felix beschließt, Declan eine Falle zu stellen, indem er einen Fake-Account bei Instagram erstellt und Declan anschreibt. Womit er nicht gerechnet hat: Eine ganz andere Seite von Declan zu Gesicht zu bekommen. Einen offenen und gefühlvollen Jungen, mit dem Felix sich stundenlang unterhalten kann. Was soll er davon halten? Auf der Suche nach sich selbst stößt Felix auf viele unerwartete Antworten. 

Felix ever after ist ein unglaublich toller Roman, den meiner Meinung nach alle Jugendlichen lesen sollten. Der Schreibstil ist sehr intensiv und lässt einen die Geschichte hautnah miterleben. Es ist sehr beeindruckend, darüber zu lesen, inwiefern Felix sich hinterfragt und zu welchen Themen er sich Gedanken macht. Zudem wird die Freundschaft zwischen Felix und seinem besten Freund Ezra wunderschön beschrieben und es hat mich sehr fasziniert, wie sehr Felix darüber nachdenkt, ob er überhaupt liebenswert ist. Denn im Alltag erfährt er als PoC (Person of Colour) und transsexueller und queerer Junge viele Anfeindungen, und es beschäftigt ihn täglich, dass seine Mutter die Familie verlassen hat. Auf der anderen Seite gibt es in seinem Freundeskreis viele Jugendliche, die selbst der LGBTQIA+ Community angehören und Felix nicht nur tolerieren, sondern seine Persönlichkeit als selbstverständlich betrachten.

Auch wenn ich mich mit dem Thema schon oft auseinandergesetzt habe, hat dieser Roman bei mir für noch mehr Verständnis und Selbstverständlichkeit gesorgt. Der Autor Kacen Callender ist selbst eine nicht-binäre, transmaskuline Person und wünscht sich, mit diesem Roman Jugendliche zu ermutigen, ihre Identität zu hinterfragen und zu finden. Der Roman ist super aktuell und ich kann allen nur empfehlen, dieses Buch zu lesen.

Majlis

Hat euch Felix’ Geschichte auch so berührt? Kanntet ihr schon alle in dem Roman genannten Informationen zum Thema LGBTQIA+, oder gab es auch Dinge, die neu für euch waren? 

Man vergisst nicht, wie man schwimmt (Christian Huber; 2022 – dtv)

Man vergisst nicht, wie man schwimmt (Christian Huber; 2022 – dtv)

„Sei einmal cool, Krüger!“ – Victor

Cool sein – das ist etwas, das Krüger sich schon lange wünscht. Doch eigentlich genau so lange hat er akzeptiert, dass er niemals cool sein wird. Krüger heißt eigentlich Pascal und er kann es kaum erwarten, dass der Sommer vorbei ist. Denn seitdem er nicht mehr schwimmen gehen kann, hasst er nichts mehr als den Sommer und die Hitze. Zum Glück ist es der 31. August 1999 und somit für Krüger der letzte Tag des Sommers.

Eigentlich hatte er den Tag im Bett verbringen wollen, doch dann steht sein bester Freund Victor vor der Tür, und die beiden beschließen, den Tag gemeinsam in ihrer verschlafenen Heimatstadt Bodenstein zu verbringen. In einem Elektro-Geschäft, in dem sie ein neues Videospiel ausprobieren, treffen sie auf ein Mädchen, das nicht nur ein neues Nokia-Handy, sondern auch Krügers Rucksack stiehlt. Natürlich müssen sie das Mädchen finden. Krüger, weil in dem Rucksack sein Notizbuch liegt, und Victor, weil er das Nokia mitgehen lassen möchte. Auf der Suche nach ihr treffen die beiden schließlich auf eine Spur, die sie zu einem Wanderzirkus etwas außerhalb der Stadt führt. Dort finden sie schließlich das Mädchen, das sich ihnen als Jacky vorstellt. Jacky scheint eigentlich ganz okay zu sein. Zumindest beeindruckt sie die beiden Jungs sehr mit ihren Messerwurf-Künsten. 

Spontan schmieden die drei einen Plan, um am Abend auf eine Party bei den beliebtesten Mädchen der Stadt zu gelangen. Dabei überschreiten sie auch einige Male die feine Grenze zwischen Mut und Leichtsinn …

Krüger lernt an diesem Tag viele neue Dinge. Zum Beispiel, dass es okay ist, nicht „cool“ zu sein, wie wichtig wahre Freundschaften sind oder dass es nichts Schlimmes ist, sich zu verlieben. Und auch, dass man nicht vergisst, wie man schwimmt.

Der Roman hat mich sehr fasziniert. Die gesamte Geschichte spielt an diesem einen Tag, dem 31. August 1999. Auch wenn das über zwanzig Jahre her ist, sind die jugendlichen Charaktere authentisch. Die vielseitigen Erlebnisse der Drei werden sehr detailliert und durchdacht aus Krügers Perspektive beschrieben. Christian Huber schafft es, einen kompletten Coming-of-age-Roman, der viele Themen, wie Freundschaft, den eigenen Körper, Liebe, aber auch Tod beinhaltet, an einem einzigen Tag spielen zu lassen, ohne dass es langweilig wird. Der Schreibstil sorgt dafür, dass man aus der Geschichte am liebsten gar nicht mehr auftauchen möchte. Der Roman zieht einen aber nicht nur durch seine tolle Erzählweise in den Bann, sondern auch durch Krügers viele Geheimnisse, z.B. warum er nicht mehr schwimmen kann, warum er Krüger genannt wird oder auch warum er sich nicht verlieben darf. Die Antworten darauf werden Stück für Stück immer wieder angedeutet und lassen einen eigene Theorien aufstellen. Krügers Geschichte ist sehr eindrucksvoll und beschäftigt einen auch noch nach dem Beenden des Buches. Der Roman macht gleichzeitig Lust auf Sommer und auf Abenteuer.

Majlis

Kennt ihr das Gefühl, dass manche Tage sich wie eine ganze Woche anfühlen?

Ich kann dich fühlen (Tess Tjagvad, Saga-Egmond-Verlag, 2022)

Ich kann dich fühlen (Tess Tjagvad, Saga-Egmond-Verlag, 2022)

„Was wäre, wenn. Es sind nur drei kleine Wörter, die keiner Fliege etwas zuleide tun, solange sie für sich allein stehen. Packt man sie jedoch zusammen, hat man womöglich das perfekte Chaos geschaffen.“ (aus „Ich kann dich fühlen“)

Mit dem Beginn ihres Studiums an der Fort Lake University möchte Kat einen Strich unter ihr bisheriges Leben setzten, ihre Vergangenheit hinter sich lassen und einfach unauffällig ihre Prüfungen möglichst gut absolvieren. Doch ein attraktiver Student, der gleichzeitig der Frauenheld schlechthin der Universität ist, aus einer der berüchtigten Studentenverbindungen macht ihr dieses Vorhaben zunehmend schwerer, da er mit allen Mitteln versucht, sie aus ihrer Komfortzone zu locken. Kat passt das gar nicht, doch auch sie muss sich eingestehen, dass sie ihn nicht einfach so abblitzen lassen kann. Doch kann sie überhaupt wieder Vertrauen fassen in einen Menschen, den sie kaum kennt – und dann auch noch ausgerechnet in Carter?

Puh, der Roman geht unter die Haut. Und das gleich aus mehreren Gründen: Zum einen haben sowohl Kat als auch Carter mit einer schweren Vergangenheit zu kämpfen, die sie irgendwie versuchen, gedanklich zu umgehen; und zum anderen ist es dem Leser dadurch, dass es Tess Tjagvad unheimlich gut gelungen ist, vor allem Kats Gefühle zu beschreiben, möglich, alle ihre Gefühle nachzuempfinden. Vic (Kats Mitbewohnerin) fragt Kat an einer Stelle: „Hattest du Herzklopfen? Gänsehaut? Das Gefühl, als wären in deinem Magen plötzlich Tausende Raketen gezündet worden?“ und ich hätte ihr am liebsten geantwortet: „Ja, hab‘ ich Vic! Schon lange und es will auch nicht mehr aufhören!“ Ich habe selten bei einem Roman so sehr mitfühlen können, wie bei diesem und ich wollte ständig so gerne in die Geschichte reinspringen und Kat unter die Arme greifen, damit sie sich endlich öffnen kann …!

Sprachlich ist der Roman leicht zu lesen und absolut keine Herausforderung, es ist super mal für zwischendurch. Allerdings sollte man nichts anderes vorhaben, denn es ist unmöglich, dieses Buch zwischendurch aus der Hand zu legen! 😉

Ich habe die Autorin bei einem digitalen Verlags-Event selbst ein bisschen kennenlernen dürfen und muss sagen, dass ich sie super sympathisch fand und auch deshalb so große Lust hatte, diesen Roman zu lesen! Nur hadere ich aktuell ein ganz kleines bisschen mit meiner Sympathie, da „Ich kann dich fühlen“ den übelsten Cliffhanger hat, mit dem ich jemals konfrontiert wurde … – aber es gibt ja einen zweiten Teil, der im Mai erscheinen wird. Also doch nicht so schlimm, die Geduld wird nur etwas auf die Probe gestellt. 😉

Insgesamt kann ich nur sagen, dass der Roman echt zu 100% lesenswert ist und sich ideal für eine kleine Auszeit vom Alltag eignet. Wer also Lust auf eine leichte Lektüre, ein bisschen Studienalltag und eine Geschichte rund um Freundschaft und Vertrauen hat – greift zu, ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Lesen! Und mein Highlight, das euch endgültig überzeugen sollte: Es gibt eine Playlist zu dem Buch, sie steht hinten drin! Also lasst euch beim Lesen so richtig schön in die Stimmung der Geschichte tragen! 🙂

Lena

Wer hat beim Lesen noch die ganze Zeit mitgefiebert, wann Kat es endlich schafft, ihr Geheimnis zu erzählen? Und habt ihr auch so sehr mit ihr gelitten wie ich?