Eine Nacht im November (Katja Maybach; 2007 – Droemer Knauer Verlagsgruppe)

Eine Nacht im November (Katja Maybach; 2007 – Droemer Knauer Verlagsgruppe)

Wie würdest du reagieren, wenn du anlässlich der Beerdigung deiner Mutter erfährst, dass dein Vater ursprünglich mal deine Großmutter geliebt hat?

Sarah von Schröder ist die Tochter eines gefragten Anwalts in München und soll in Kürze heiraten und mit ihrem zukünftigen Ehemann die Kanzlei ihres Vaters übernehmen. Doch eine Woche vor der Hochzeit erfährt sie von dem Tod ihrer Mutter, die sie und ihren Vater verlassen hat, als Sarah fünf Jahre alt war. So fliegt sie spontan nach Paris, um endlich hinter die Geheimnisse ihrer Familie zu kommen, da sie sich erhofft, vor Ort mehr Antworten zu bekommen als von ihrem Vater. Doch in Paris angekommen wird sie alles andere als freundlich empfangen und als Tochter des Nazis bezeichnet. Dieser Vorwurf trifft Sarah tief und sie beschließt, länger in Paris zu bleiben, um mehr über die Vergangenheit ihrer Familie zu erfahren.

Als sie im Haus ihrer Mutter ein Foto von ihrem Vater mit ihrer Großmutter aus deren jungen Jahren entdeckt und mit ihrer hasserfüllten Großtante Lea in Kontakt kommt, ist Sarah kurz vor dem Verzweifeln und weiß gar nicht mehr, wem sie nun vertrauen kann und wer ihr die Wahrheit erzählt.

Rebecca ist Sarahs Großmutter. Sie ist Jüdin und lebte ihre Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie spielte sehr gut Klavier und bewunderte den Musiker Eli Moses, den sie später auch heiratete. Aber welche Rolle spielte Rolf von Schröder in ihrem Leben? Und was ist in der Nacht vom 9. November geschehen, als Eli Moses, Sarahs Großvater, starb? Mit diesem Fragen reist Sarah nach Frankreich, aber die Person, die ihr erzählen könnte, wie es wirklich war, ist unerreichbar …

Ich war gefesselt und zutiefst beeindruckt von diesem Roman. Mich hat fasziniert, wie Katja Maybach die Vergangenheit, und somit der Zeit des Nationalsozialismus, mit der Gegenwart, in der wir leben, verknüpft hat. Ich habe mich mit Rebecca in Rolf verliebt und war mit Sarah zusammen wütend auf ihn. Ich habe Eli Moses durch Rebeccas Augen gesehen und ihn durch ihre Ohren gehört und habe somit ihren tiefen Schmerz gefühlt. In meinen Augen kommen in diesem Roman nur ein Bruchteil der Probleme zur Sprache, die der Nationalsozialismus hervorgerufen hat. Aber was das NS-Regime für Juden bedeutet hat wird beeindruckend lebensnah beschrieben und ich bin beeindruckt von den Eindrücken, die mir die Geschichte vermittelt hat.

Ganz zu Beginn hat mich das Buch sehr an „Leas Spuren“ von Bettina Storks erinnert und auch nach dem Lesen sage ich, dass die Grundidee der Romane dieselbe ist. Aber während sich der andere Roman auf den Kunstraub fokussiert, geht es in diesem Fall mehr um die Liebe und das Leben allgemein der Juden. Alle die Leser, die „Leas Spuren“ gelesen haben, werden mit Freude in diese Geschichte eintauchen, denn die Themen ergänzen sich ideal!

Lena

Könnt ihr verstehen, dass Sarah so wütend auf ihren Vater war? Und hat vielleicht einer von euch eine ähnliche Geschichte in der Familie? Schreibt es in die Kommentare! 😊

Alles Licht, das wir nicht sehen (Anthony Doerr; 2014 – C.H.Beck oHG, München-Verlag)

Alles Licht, das wir nicht sehen (Anthony Doerr; 2014 – C.H.Beck oHG, München-Verlag)

2. Weltkrieg – kann man das Schicksal eines Menschen mit dem eines anderen Menschen vergleichen? Ein blindes, französisches Mädchen, das mit ihrem Vater aus dem besetzten Paris nach Saint-Malo fliehen muss und ein deutscher Junge ohne Eltern, der zur Wehrmacht geschickt wird. Marie-Laure und Werner leben zwei völlig verschiedene Leben, und doch laufen ihrer Schicksale aufeinander zu …

Die blinde Marie-Laure wächst in Paris auf, wo sie mit ihrem Vater ein schönes Leben führt. Jeden Tag begleitet sie ihn ins „Muséum national d’Histoire naturelle“, wo er als Wächter der Schlüssel arbeitet und sie ihre Zeit damit verbringt, durch das Museum zu streifen, ihre geliebten Jules Verne-Romane zu lesen oder sich von einem Weichtierexperten die verschiedenen Schneckenarten erklären zu lassen. Als Paris von den Nationalsozialisten besetzt wird, fliehen sie zu ihrem Großonkel Étienne nach Saint-Malo, wo Marie-Laure nicht mehr auf die Straße, geschweige denn zum Meer gehen darf. Als ihr Vater in Gefangenschaft kommt, ihre liebgewonnene Haushälterin, die sie gegen den Willen ihres Vaters und Onkels mit an den Strand genommen und eine geheime Widerstandsgruppe organisiert hat, stirbt und auch ihr Onkel festgenommen wird, denkt sie darüber nach, ob an der Geschichte um den Diamanten, den ihr Vater ihr hinterließ, nicht vielleicht doch etwas dran ist …

Werner, der mit seiner Schwester Jutta, aber ohne Eltern in einem Waisenhaus bei der Zeche Zollverein aufwächst, liebt die Mechanik und Elektronik. In seiner Freizeit baut und repariert der hochintelligente Junge Radios der Bevölkerung der Stadt. Seine jüngere Schwester liebt er über alles. Zusammen verbringen sie ihre Nächte heimlich vor dem Lautsprecher des Radios und lauschen allen möglichen Sendern, aber vor allem faszinieren sie die Geschichten eines Franzosen, der die Welt für Kinder erklärt. Als Werner gerade ein Teenager ist, wird er aufgrund seiner Begabung in einer Nationalpolitischen Erziehungsanstalt aufgenommen. Mit Hunderten anderen Jungen wird er auf den Krieg vorbereitet und schließlich sehr jung als Fernmeldetechniker genau dort hingeschickt …

Im August 1944 ist Werner in Saint-Malo stationiert. Er wird bei einem der schlimmsten alliierten Bombenangriffe verschüttet und fängt Marie-Laures Stimme durch sein Funkgerät ein, die eigentlich ihren Onkel über dessen selbstgebautes Funkgerät erreichen will. Dies gibt ihm neue Kraft und er kämpft sich zu Marie-Laure durch, wo er, bevor er auf Marie-Laure trifft aber noch einem Diamantenjäger begegnet, der es auf die Französin und ihren Stein abgesehen hat …

Anthony Doerr erzählt in seinem Roman die Geschichte zweier Jugendlicher, die zwei ganz verschiedene Schicksale haben und verfeindet sein sollten, und die doch so viel verbindet. Immer abwechselnd beschreibt er das Leben von Marie-Laure und Werner, mal im Kindesalter, mal als Teenager. Dadurch, dass er durch die Zeit springt, werden Zusammenhänge in der Geschichte klar und der Leser kann erkennen, wie zwei Schicksale sich miteinander verweben und aufeinander auswirken können.

Mich hat an dem Roman besonders fasziniert, wie real die zwei Leben beschrieben wurden. Zeitweise hatte ich das Gefühl mit Werner Radios zu reparieren oder mit ihm durch den Schnee zu rennen, und dann saß ich wieder bei Marie-Laure, wenn sie mit Jules Verne durch die Welt gereist ist und mit ihren Schnecken gesprochen hat. Nach jedem Kapitelende war es eine Qual für mich, von der einen Geschichte in die andere zu springen, weil ich wissen wollte, wie es mit Werner bzw. Marie-Laure weitergeht.

Ich kann diesen Roman allen Lesern empfehlen, die sich für den zweiten Weltkrieg interessieren. Es ist zwar eine fiktive Geschichte, aber dennoch werden zwei Schicksale beschrieben, die sich fast so hätten ereignen können, wodurch sich das Buch leicht lesen lässt. Es kann also auch gut sein, dass dies ein guter Einstieg für junge Leser ist, die gerade erst anfangen, sich mit dem 20. Jahrhundert zu beschäftigen.

Lena

Gab es eine Person, in die ihr euch besser hineinversetzen konntet als in die andere? Und fandet ihr es auch faszinierend, was die kleine Jutta im Gegensatz zu ihrem Bruder schon alles verstanden und hinterfragt hat? Schreibt es in die Kommentare! 🙂