Alles Licht, das wir nicht sehen (Anthony Doerr; 2014 – C.H.Beck oHG, München-Verlag)

Alles Licht, das wir nicht sehen (Anthony Doerr; 2014 – C.H.Beck oHG, München-Verlag)

2. Weltkrieg – kann man das Schicksal eines Menschen mit dem eines anderen Menschen vergleichen? Ein blindes, französisches Mädchen, das mit ihrem Vater aus dem besetzten Paris nach Saint-Malo fliehen muss und ein deutscher Junge ohne Eltern, der zur Wehrmacht geschickt wird. Marie-Laure und Werner leben zwei völlig verschiedene Leben, und doch laufen ihrer Schicksale aufeinander zu …

Die blinde Marie-Laure wächst in Paris auf, wo sie mit ihrem Vater ein schönes Leben führt. Jeden Tag begleitet sie ihn ins „Muséum national d’Histoire naturelle“, wo er als Wächter der Schlüssel arbeitet und sie ihre Zeit damit verbringt, durch das Museum zu streifen, ihre geliebten Jules Verne-Romane zu lesen oder sich von einem Weichtierexperten die verschiedenen Schneckenarten erklären zu lassen. Als Paris von den Nationalsozialisten besetzt wird, fliehen sie zu ihrem Großonkel Étienne nach Saint-Malo, wo Marie-Laure nicht mehr auf die Straße, geschweige denn zum Meer gehen darf. Als ihr Vater in Gefangenschaft kommt, ihre liebgewonnene Haushälterin, die sie gegen den Willen ihres Vaters und Onkels mit an den Strand genommen und eine geheime Widerstandsgruppe organisiert hat, stirbt und auch ihr Onkel festgenommen wird, denkt sie darüber nach, ob an der Geschichte um den Diamanten, den ihr Vater ihr hinterließ, nicht vielleicht doch etwas dran ist …

Werner, der mit seiner Schwester Jutta, aber ohne Eltern in einem Waisenhaus bei der Zeche Zollverein aufwächst, liebt die Mechanik und Elektronik. In seiner Freizeit baut und repariert der hochintelligente Junge Radios der Bevölkerung der Stadt. Seine jüngere Schwester liebt er über alles. Zusammen verbringen sie ihre Nächte heimlich vor dem Lautsprecher des Radios und lauschen allen möglichen Sendern, aber vor allem faszinieren sie die Geschichten eines Franzosen, der die Welt für Kinder erklärt. Als Werner gerade ein Teenager ist, wird er aufgrund seiner Begabung in einer Nationalpolitischen Erziehungsanstalt aufgenommen. Mit Hunderten anderen Jungen wird er auf den Krieg vorbereitet und schließlich sehr jung als Fernmeldetechniker genau dort hingeschickt …

Im August 1944 ist Werner in Saint-Malo stationiert. Er wird bei einem der schlimmsten alliierten Bombenangriffe verschüttet und fängt Marie-Laures Stimme durch sein Funkgerät ein, die eigentlich ihren Onkel über dessen selbstgebautes Funkgerät erreichen will. Dies gibt ihm neue Kraft und er kämpft sich zu Marie-Laure durch, wo er, bevor er auf Marie-Laure trifft aber noch einem Diamantenjäger begegnet, der es auf die Französin und ihren Stein abgesehen hat …

Anthony Doerr erzählt in seinem Roman die Geschichte zweier Jugendlicher, die zwei ganz verschiedene Schicksale haben und verfeindet sein sollten, und die doch so viel verbindet. Immer abwechselnd beschreibt er das Leben von Marie-Laure und Werner, mal im Kindesalter, mal als Teenager. Dadurch, dass er durch die Zeit springt, werden Zusammenhänge in der Geschichte klar und der Leser kann erkennen, wie zwei Schicksale sich miteinander verweben und aufeinander auswirken können.

Mich hat an dem Roman besonders fasziniert, wie real die zwei Leben beschrieben wurden. Zeitweise hatte ich das Gefühl mit Werner Radios zu reparieren oder mit ihm durch den Schnee zu rennen, und dann saß ich wieder bei Marie-Laure, wenn sie mit Jules Verne durch die Welt gereist ist und mit ihren Schnecken gesprochen hat. Nach jedem Kapitelende war es eine Qual für mich, von der einen Geschichte in die andere zu springen, weil ich wissen wollte, wie es mit Werner bzw. Marie-Laure weitergeht.

Ich kann diesen Roman allen Lesern empfehlen, die sich für den zweiten Weltkrieg interessieren. Es ist zwar eine fiktive Geschichte, aber dennoch werden zwei Schicksale beschrieben, die sich fast so hätten ereignen können, wodurch sich das Buch leicht lesen lässt. Es kann also auch gut sein, dass dies ein guter Einstieg für junge Leser ist, die gerade erst anfangen, sich mit dem 20. Jahrhundert zu beschäftigen.

Lena

Gab es eine Person, in die ihr euch besser hineinversetzen konntet als in die andere? Und fandet ihr es auch faszinierend, was die kleine Jutta im Gegensatz zu ihrem Bruder schon alles verstanden und hinterfragt hat? Schreibt es in die Kommentare! 🙂