Alles, nur kein Surferboy (Jenn P. Nguyen; 2020, cbt – Verlag)

Alles, nur kein Surferboy (Jenn P. Nguyen; 2020, cbt – Verlag)

Was wärst du bereit zu tun, um deinen absoluten Lebenstraum und das Ziel, das du hast, seit du ein Kind bist, zu erreichen?

Arbeit, Engagement und Zielstrebigkeit – das ist es, was Taylor Simmons wohl ausmacht. Ihr Desktop könnte ungefähr so aussehen, wie auf dem Foto: sie arrangiert die Schülerzeitung, muss das Budget für die nächste Ausgabe kalkulieren und parallel plant sie den anstehenden Karrieretag, ein riesen Event. Doch von einem Tag auf den anderen bricht alles zusammen, was sie sich je vorgenommen hat und die obige Frage bekommt eine ganz neue Bedeutung. Zunächst wird sie von ihrer Traum-Uni nur auf die Warteliste gesetzt (für sie total unverständlich, denn wer, wenn nicht sie – Jahrgangsbeste, Leitung der Schülerzeitung, Lehrerliebling und das disziplinierteste Mädchen der Schule); und dann wacht sie nach einer durchgefeierten Nacht auch noch neben dem Bad-Boy und Mädchenschwarm schlechthin auf – Evan McKinnley. Für Taylor ist das ein Albtraum, denn ihr Ruf scheint ruiniert zu sein. Und zu allem Überfluss nimmt sie das alles mehr mit, als sie sich eingestehen möchte …

Für Taylor gibt es nur einen Ausweg: McKinnley muss sich als ihr fester Freund ausgeben. Denn lieber ist sie angeblich seinem Charm verfallen, als eine weitere Kerbe in seinem Surfboard zu sein, denn das ruiniert ihr mit Sicherheit ihre Zukunft. Doch dieses Schauspiel durchzusetzen und auch wirklich zu spielen, ist schwerer, als Taylor sich je hätte vorstellen können …

Wer kennt es nicht? Diese eine Schülerin im Jahrgang, die einfach immer die besten Noten schreibt, von allen Lehrern gemocht wird, mit Sicherheit die Jahresabschlussrede halten wird und schon einen genauen Plan hat, wo es nach dem Abschluss hingehen soll. Ein absoluter Albtraum eines jeden anderen Mitgliedes des Jahrgangs, denn egal was man macht, einen Schatten gibt es immer.

Naja, zumindest stellen sich das viele junge Menschen so vor. Natürlich ist es nicht an jeder Schule so – zum Glück – aber sei es für sportliche Leistungen, sprachliches Talent, einen naturwissenschaftlichen Hang oder oder oder … diese Schüler und Schülerinnen kennt jeder und so geht es Taylor auch. Ja, sie möchte es so, denn um Jura an der Colombia zu studieren, braucht sie nun mal diesen Ruf. Aber ist das wirklich erstrebenswert? Kann es nicht auch noch andere Wege geben, um an sein Ziel zu kommen, ohne von allen nur als unnahbar und Freak gesehen zu werden?

Der Roman ist sehr leicht zu lesen und eine gute Lektüre für zwischendurch. Mir hat er sehr gut gefallen, denn es ist amüsant, zu verfolgen, wie Taylor sich gezwungenermaßen entwickelt und man konnte sich so richtig zurücklehnen beim Lesen. Außerdem meinte ich die Fragen durchaus ernst, die ich eben gestellt habe. Das ein oder andere Mal habe ich darüber nachgedacht, wie es denn in meinem Abschlussjahrgang war, hatten wir auch solche ‚Sternchen‘? Und wie hat sich das bei uns geäußert? Ich kann euch das Buch wirklich empfehlen, wenn ihr etwas Leichtes zu lesen sucht, bei dem ihr mal schmunzeln könnt, aber auch in alten Erinnerungen schwelgen werdet!

Lena

Habt ihr mal drüber nachgedacht? Kennt ihr dieses ‚Sternchen-Phänomen‘?

Das Labyrinth von London (Benedict Jacka; 2018 – blanvalet)

Das Labyrinth von London (Benedict Jacka; 2018 – blanvalet)

Bei der Bezeichnung Wahrsagerin erscheint bei mir das Bild einer älteren Frau, die mithilfe einer Glaskugel und Karten etwas über meine Zukunft voraussagt. Ein Ende 20-Jähriger aus London hingegen würde mir nicht in den Sinn kommen. Doch genau das ist Alexander Verus: Ein Magier, genauer gesagt ein Wahrsager. Das heißt, dass er sich anders als andere Magier*innen nicht an andere Orte porten kann oder keine Angriffe ausüben kann. Trotzdem verfügt er über die größte Macht: Wissen

Eigentlich lebt Alex wie ein ganz normaler Mensch. Er wohnt in Camden und besitzt einen kleinen Laden, in dem er Zauberartikel verkauft. Aber natürlich keine echten. Die verwahrt er lieber bei sich. Denn hinter den Kulissen spielt sich ganz schön viel ab. Normale Menschen können das nicht wahrnehmen. Alex erklärt, dass es verschiedenen Stufen des magischen Talents gibt. Über den Menschen stehen die Empfindsamen. Sie spüren Magie, können sie aber oft nicht richtig einordnen. Erst die Adepten, die über den Empfindsamen stehen, können die Magie auch beeinflussen. Wenn auch nur unbewusst. Sie haben dann beispielsweise mehr „Glück“ als andere. Erst wenn man Magie gezielt einsetzen kann, gilt man als Magier*in.

Eine von Alex besten Freundinnen, Luna, befindet sich irgendwo zwischen Empfindsamer und Adeptin. Mehr über Magie lernt sie allerdings erst, als drei Ereignisse am selben Tag passieren:

Erstens: Luna findet einen roten Würfel, der ihr nicht ganz geheuer ist und bei Berührung aufleuchtet.

Zweitens: Alex erhält von vier verschiedenen Personen aus zwei verschiedenen Gruppierungen ein Angebot, sich ihrer Gruppe anzuschließen und ihnen bei der Suche nach einem magischen Artefakt zu helfen. Der Haken an der Sache: Drei von vier drohen ihm mit dem Tod, sollte er das Angebot ausschlagen.

Drittens: Alex erhält eine Einladung zu einem Ball des Rates, der Spitze der Magiervereinigung. Luna soll ihn begleiten, da auch sie auf einmal durch ihren Fund in Gefahr schwebt. So trifft Luna an diesem Tag zum ersten Mal auf magische Geschöpfe sowie auf weitere Magier neben Alex. 

Ehe die beiden sich versehen, stecken sie viel zu tief in den Angelegenheiten anderer drin, um sich gefahrlos daraus befreien zu können. So bleibt ihnen vorerst nichts anderes übrig, als mit dem Strom zu schwimmen und Zeit zu schinden, bis sie einen eigenen Plan gefasst haben.

Benedict Jacka hat einen wunderbar fesselnden Roman geschrieben. Obwohl sich die Handlung nur in einem kurzen Zeitraum abspielt, schafft er es mit vielen Details und Rückblicken, dass man intensiv miterlebt und es nicht langweilig wird. Besonders gut haben mir die Beschreibungen davon gefallen, auf welche Art Alex in die Zukunft blickt. Benedict Jacka hat es so logisch und realitätsnah geschrieben, dass man sich kurz fragt, warum das im echten Leben nicht funktioniert. Ein weiterer Aspekt, der mir gefallen hat, ist Alex‘ Vergangenheit, die immer wieder angedeutet, aber erst nach und nach enthüllt wird. Ich kann den Roman vor allem empfehlen, wenn man Fantasy mag, aber trotzdem auch gerne einen Bezug zu der normalen Welt hat. 

Majlis

Würdet ihr auch gerne in die Zukunft gucken können? Oder ist euch das zu viel Verantwortung? 

Before the coffee gets cold (Toshikazu Kawaguchi; 2018 – Picador)

Before the coffee gets cold (Toshikazu Kawaguchi; 2018 – Picador)

Bevor der Kaffee kalt wird, soll man ihn austrinken. Aber nicht irgendeinen Kaffee, sondern den Zauberkaffe, der in dem kleinen japanischen Café mit dem Namen „Funiculi Funicula“ serviert wird.

Was ist das für ein merkwürdiges Café, das man in einer von Tokios weniger belebten Seitengassen finden kann? Auf den ersten Blick erscheint es wie ein ganz normales Café. Das Einzige, was einem sonderbar vorkommen könnte, ist die etwas altertümliche Einrichtung oder die Tatsache, dass der kleine Raum keine Fenster hat. Doch viel spannender ist etwas anderes: Innerhalb des Cafés kann man durch die Zeit reisen. Das klingt erstmal verlockend. Aber: Neben der oben genannten Regel gibt es weiter Bedingungen, die man beachten muss:

Man muss auf einem bestimmten Stuhl sitzen. Problem dabei: Der Stuhl ist von einer Frau in einem weißen Kleid belegt, die nur einmal am Tag aufsteht, um zur Toilette zu gehen. Allerdings immer zu unterschiedlichen Zeiten. Versucht man, die Frau gewaltsam zu vertreiben, wird man verflucht. In der Vergangenheit kann man den Stuhl nicht verlassen und somit auch nur Personen treffen, die das Café irgendwann schon einmal besucht haben. Man hat nur so lange Zeit, bis der Kaffee, der einen in die Vergangenheit bringt, kalt wird. Diesen sollte man, wie gesagt, vorher austrinken. Ansonsten wird man dazu verdammt, als Geist auf dem Stuhl zu sitzen, bis jemand anderes den selben Fehler begeht. Dies ist auch das Schicksal der Frau im weißen Kleid. Egal, was man auch versucht – die Gegenwart wird sich nicht verändern.

Diese Regel ist eine, die viele der Besucher davon abhält, durch die Zeit zu reisen. Es gibt zu viele Risiken und letztendlich ändert sich eh nichts – so die Begründung. Das denken sie jedenfalls.

Es gibt aber auch andere, die sich trotzdem auf den Weg durch die Zeit machen. Beispielsweise diese Vier: Fumoki möchte eine längere Erklärung von ihrem Freund, warum dieser überstürzt für drei Jahre nach Amerika gereist ist, Fusagi möchte seiner Frau einen Brief geben, und Hirai möchte sich noch einmal mit ihrer verunglückten Schwester unterhalten und sich bei ihr entschuldigen.

Schließlich benutzt auch Kei, die Betreiberin des Cafés, die Magie. Allerdings in die andere Richtung. Kai ist nämlich krank. Krank, aber schwanger und sie wünscht sich, ihr noch ungeborenes Kind kennenzulernen. Normalerweise ist es sinnlos, in die Zukunft zu reisen, aber da Nagare, Keis Mann, der Manager des Cafés ist, kann sie sich ziemlich sicher sein, ihn und ihr gemeinsames Kind dort anzufinden …

Der Roman ist in vier Kurzgeschichten geschrieben, die aufeinander aufbauen. Sie zeigen eindrucksvoll, für welche Menschen und aus welchen Gründen die verschiedenen Personen das Risiko des Zeitreisens auf sich nehmen. Obwohl sie dabei die Gegenwart nicht ändern können, lernen alle vier, ihre Blickweise auf die Zukunft zu verändern. Toshikazu Kawaguchi zeigt uns, dass man das Geschehene zwar nicht ändern kann, es aber doch manchmal hilft, alles aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Die Mischung aus den bezaubernden Kurzgeschichten und den versteckten Weisheiten macht das Buch so toll. Zudem fand ich das Prinzip der vier Kurzgeschichten schön, da man so vier ganz verschiedene Personen kenngelernt und ihre ganz unterschiedlichen Gründe gezeigt bekommen hat.

Majlis

Aus welchem Grund würdet ihr in die Vergangenheit reisen wollen? Würdet ihr, trotz der vielen Bedingungen, eine Zeitreise wagen? Schreibt es in die Kommentare! : )

Dei deutsche Version findet ihr unter „Das magische Café“, erschienen im O. W. Barth Verlag

Die ist die Lösung zu Collage 07.