Abenteuer Ocean Race (Boris Herrmann, Andreas Wolfers, C.Bertelsmann, 2023)

Abenteuer Ocean Race (Boris Herrmann, Andreas Wolfers, C.Bertelsmann, 2023)

“Wir gaben alles füreinander, nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Leidenschaft.“

„Mit meinem Team beim Rennen um die Welt“. So lautet der Untertitel des Buches, das auch mich einmal um die Welt getragen hat.
Boris Herrmann ist wohl der bekannteste deutsche Segler, der 2020 bei der Vendée Globe, einer Einhand-Regatta ohne Zwischenstopp, mit seiner Imoca-Yacht, der Malizia, die Welt umrundete. Drei Jahre später läuft er zu einer erneuten Weltumsegelung aus, diesmal hat er jedoch ein Team dabei. Das Ocean Race gilt als der härteste Teamwettbewerb der Sportwelt und birgt ganz andere Herausforderungen als herkömmliche Regatten. Ist es möglich, mehrere Monate mit einer Frau und vier Männern auf engstem Raum zu leben? Kann man als Team durch das Eismeer segeln, nur mit dem allernötigsten Schlaf und ohne richtiges Essen, ohne sich gegenseitig in die Haare zu bekommen? Was macht man, wenn die Satelliten im Weltraum näher an einem dran sind, als irgendein Stück Land und sich eine Person verletzt?

Boris Hermann erzählt in seinem Buch von dieser Reise. Von den Höhen und Tiefen, von Dramen, großen Unglücken, riesigen Erfolgen, harter Arbeit, Glücksgefühlen und der Kraft, die sie einander gaben und die sie einmal um die Welt getragen hat.

Für mich als Hobby-Seglerin war es unfassbar spannend zu verfolgen, wie anders auf der einen Seite das Segeln in den Weltmeeren ist und dann doch wieder mehr Kleinigkeiten als ich dachte wiedererkennen zu können. Es war spannend, die taktischen Gedanken zu lesen und nachzuvollziehen, warum die Crew sich für eine bestimmte Route entschieden hat. Und dann mitzufiebern – geht der Plan auf? Sind sie schneller als die anderen? Zudem basiert ein großer Teil der Dokumentation auf persönlichen Berichten der Segler. Sie haben beschrieben, wie es ihnen in bestimmten Situationen ging, was sie beschäftigt, wie sie mit gegebenen Umständen umgehen. Fünf ganz verschiedene Persönlichkeiten, die, wie sie selbst immer wieder betonen, perfekt harmonieren und sich nicht besser ergänzen könnten.

Aber auch als nicht-Segler ist es spannend, die Reise zu verfolgen. Denn es geht um Kameradschaft innerhalb einer Crew, aber auch um die Freundschaft und Erleichterung, wenn man nach Wochen im Eismeer einen Konkurrenten am Horizont sieht. Smalltalk über Funk konnte manchmal eine große Erleichterung sein. Zudem war für mich total neu, was für logistische Prozesse an Land hinter dem Rennen stecken. Die Segler betonten häufig, dass 50% der Regatta an Land entschieden wird. Dieser Teil der Reise ist genauso spannend zu verfolgen, wie der Teil auf dem Wasser.

Mich hat es jedenfalls gepackt und ich kann mir vorstellen, einige von euch auch. Es liest ich total gut und ich freue mich schon auf die Vendée Globe 2024, wo Boris Herrmann erneut an den Start gehen wird, ich habe großen Respekt!

Lena

Segelst du? Hast du das Ocean Race oder die Vendée Globe verfolgt?

Tales of Sylt (Alexandra Flint, 2023, Loewe-Verlag)

Tales of Sylt (Alexandra Flint, 2023, Loewe-Verlag)

„[Das war] mein neues Lebensmotto. Mutig sein. Etwas riskieren. Chancen nutzen. Denn manchmal … musste man eben etwas wagen, um zu gewinnen.“

Die „Tales of Sylt“ sind Geschichten über junge Erwachsene, die sich mit ihrem Eintritt in das Leben nach der Schule auf ihre ganz eigene Weise finden und vielleicht auch ein Stück neu kennenlernen müssen. Was sie vereint? Na klar, die Nordseeinsel Sylt. Aber eigentlich geht es noch um etwas anderes: Es geht um Freundschaft. Es geht um eine Freundesgruppe, die der sichere Hafen für jede der Mädchen ist. Sie hören den anderen zu, unterstützen sich und helfen einander. Eine Freundschaft, die unbezahlbar ist. Witzigerweise schreibe ich diese Zeilen gerade im Zug auf dem Rückweg von einem Kurztrip nach Sylt. Warum erzähle ich das? Tja, Alexandra Flint hat mir beim Lesen das Gefühl gegeben, selbst dort zu sein, so richtig. Man hatte von Anfang an den Eindruck, die Orte zu kennen. Die Strände, Oma Eddas Leuchtturm, das Bernsteinglühen, den Hafen von Munkmarsch, die Menschen, die Gemeinschaft derer, die genau das leben. Um ehrlich zu sein kannte ich selbst die Insel (im realen Leben😉) bis vor kurzem eher wenig, aber auf meinen beiden letzten Ausflügen konnte ich nachvollziehen, was in den Büchern beschrieben und verarbeitet ist. Dieser Insel-Zauber, der die Mädchen verbindet und den sie weitertragen …

Kein Horizont zu weit
Leni kennt Raffael seit ihrer Kindheit. Doch vor fünf Jahren ist er spurlos von der Insel verschwunden, nachdem er bei einem verheerenden Brand seinen Vater und Bruder verlor. Nun, da das Familienhotel neu aufgebaut werden soll, ist er plötzlich wieder auf der Insel, um den Prozess zu überwachen. Leni beschließt, das Ganze erst einmal aus der Ferne zu beobachten, allerdings hat sie nicht damit gerechnet, dass sie und ihr Vater mit ihrer Werft direkt am Wiederaufbau beteiligt sein würden. Eine gute Chance, um mit Raffael ins Gespräch zu kommen – doch der scheint weder mit Leni noch mit der Insel etwas zu tun haben zu wollen. Ihn zieht es zurück …

Kein Sturm zu nah
Elisa lebt bei ihrem Vater in Australien und scheint dort das perfekte Leben zu haben. Doch dann fliegt sie nach einem Skandal aus dem Schwimmteam der Uni und es ist fragwürdig, ob sie ihr Medizinstudium wird fortsetzen können. Hals über Kopf kehrt sie in ihre Heimat Sylt zurück, wo sie in erster Linie die Geborgenheit der Freundinnen sucht. Nicht rechnen tut sie damit, dass ihr ausgerechnet der Profikiter Jonah Falk als erstes über den Weg läuft. Er lebt für das Kiten, stürzt sich in jeden noch so schlimmen Sturm – und vergisst, dass es auch Grenzen gibt. Sein Ruf ist nicht der beste, doch steckt hinter diesem irren Kiten eventuell noch mehr?

Kein Ozean zu tief
Für Lou steht fest, wie ihr Leben aussieht: Sie studiert das Ingenieurswesen und wird irgendwann in die Firma ihrer Eltern einsteigen. Doch nach einer zum wiederholten Mal vermasselten Prüfung beschließt sie zum Leidwesen ihrer Eltern kurzerhand dem perfekten Plan den Rücken zu kehren und ihrer Schwester nach Sylt zu folgen. Ist das vielleicht ihre Chance, ihrem Hobby, dem Travelblogging, eine Chance zu geben, mehr zu werden? Aber wie lebt man vom Reisen und Bloggen? Ist das nicht zu schön, um wahr zu sein?
Kein anderer als der bekannte und erfolgreiche Travelblogger Kai Hansen wurde diesbezüglich gerade auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Er ist Extremfotograf – und es ist etwas schief gegangen. Nun braucht er definitiv ein Image-Make-Over und bietet ausgerechnet Lou eine Kooperation an.
Die beiden, die bezüglich des Reisens unterschiedlicher nicht sein könnten, beschließen, gemeinsam loszuziehen. Doch was haben sie außer ihren Klamotten noch im Gepäck? Wird Kai Lou jemals zeigen, was er noch so mit sich rumschleppt, was ihn nachts nicht schlafen lässt?

Liebe Alexandra, zu hast mich inspiriert. Inspiriert dazu, mutig zu sein, etwas zu riskieren und Chancen zu nutzen. Und dazu, nach Sylt zu fahren. Die kleinen Dinge zu genießen, von Freundschaften zu zehren und nach vorne zu schauen. Füreinander da zu sein, zu lachen und das Leben nicht immer ganz so ernst und dramatisch zu nehmen. Die „Tales of Sylt“ haben mich raus aus der Uni, hinein in eine Welt voller offener Türen geführt.
Aber gleichzeitig gefällt mir noch etwas anderes so unglaublich gut. Ich habe das Gefühl, du kennst die Insel wirklich. Und damit meine ich vor allem, du kennst die Menschen. Denn Sylt ist für viele eine Insel voller Klischees, aber du hast in deinen Büchern Themen verarbeitet, die die Menschen dort beschäftigt, die wir manchmal gar nicht so sehen. Was kommt nach dem Schulabschluss – muss ich von der Insel gehen? Was passiert mit den Leuten, die ich so gut kenne, kann ich irgendwann dorthin zurückkehren? Was heißt eigentlich „Zuhause“? Aber auch diese ganz besondere Art von Gemeinschaft. Meine Freundin hat mir neulich gesagt: „Sylt ist ein Dorf.“ Und irgendwo hat sie recht und genau das hast du wunderbar und leicht transportiert.

Also kommt alle mit auf eine Reise nach Sylt (in mehrerlei Hinsicht 😉)!

Lena

Wart ihr schonmal auf der Insel? Wie habt ihr die Gemeinschaft wahrgenommen? Und seid ihr vielleicht schonmal an dem ein oder anderen Ort gewesen?

Am Ende sterben wir sowieso (Adam Silvera, 2017, Atrium Verlag AG)

Am Ende sterben wir sowieso (Adam Silvera, 2017, Atrium Verlag AG)

„Und dann weint er schließlich, […] weil das größte Verbrechen heute Nacht war, dass er seinen besten Freund nicht zum Abschied umarmen konnte.“ (Malcolm in „Am Ende sterben wir sowieso“)

Hat sich nicht jeder schon einmal Gedanken darüber gemacht, ob es erstrebenswert wäre zu wissen, wann und wie man stirbt? Würden wir anders leben, wenn wir wüssten, dass unser Leben wirklich jeden Moment zu Ende sein könnte? Und würden wir uns bereit fühlen?

Mateo und Rufus wissen, wann sie sterben. Denn am 5. September bekommen die beiden einen Anruf von dem Todesboten, dass sie keine 24 Stunden mehr zu leben haben. Das ist nichts Ungewöhnliches, denn jeden Tag sterben Menschen, die vorher vom Todesboten informiert wurden, aber Rufus und Mateo sind erst 17 und 18 Jahre alt und alles andere als bereit zu sterben. Die beiden wissen, dass der Tod nicht zu stoppen ist und beschließen aus unterschiedlichen Gründen, ihren letzten Tag auf der Erde mit einem letzten Freund zu verbringen. An diesem einen Tag haben sie beide noch ein ganzes Leben vor sich und so einiges zu erledigen und zu verarbeiten, bevor sie sich für immer verabschieden müssen …

Rufus und Mateo beschreiben im Wechsel deren letzten Tag, zwischendurch haben aber auch mal andere Personen, die irgendwie eine Rolle in deren Leben spielen, etwas zu sagen. Der Leser begleitet die beiden Jungs einen Tag lang durch ihre Stadt und lernet die beiden durch die Berichte und durch die Augen des jeweils anderen erst richtig kennen. Adam Silvera kennt in diesem Fall echt keine Gnade und bringt den Leser hoffnungslos zum Weinen. Das Schwierigste beim Lesen ist, dass man die ganze Zeit eine Ahnung hat, wie es ausgeht und damit mit den beiden Jungs einen Haufen letzter Male und Abschiede erlebt, aber die Hoffnung, dass doch noch alles gut wird, bleibt.

Ein harter Brocken, ich würde fast sagen, Granit. So viele Tränen habe ich bei noch keinem Buch vergossen und das auch einfach mal zwischendurch, weil es den Leser zutiefst berührt, was Rufus und Mateo an nur einem Tag erleben und lernen. Sie lernen an einem Tag mehr über sich und das Leben als es andere Menschen in einem ganzen Leben tun.

Ich fand das Buch großartig. Das mag vielleicht bis hierhin noch nicht so klingen, aber es ist eine Lektüre, die einen über so viele Dinge nachdenken lässt und den Leser auch zwingt, sich mit dem Tod zu beschäftigen. Was würde ich machen, wenn ich erfahren würde, dass ich heute sterben werde? Wen würde ich bei mir haben wollen? Würde ich drüber sprechen? Was würde ich zu einer geliebten Person sagen, wenn ich wüsste, dass sie sterben würde? Und wäre ich bereit? Diese Fragen und noch viele mehr sind mir beim Lesen durch den Kopf gegangen und sie tun es auch jetzt noch. Aber ich fühle mich noch nicht bereit zu gehen und das Buch hat mich gelehrt, dass man, wie schon James Dean sagte, jeden Tag leben soll, als wäre es unser letzter. Plötzlich werden Kleinigkeiten wichtig, die man vorher als selbstverständlich betrachtet hat und die Augen werden offener, der Geist wacher.

Ich kann dieses Buch wirklich jedem empfehlen! Es ist zugleich eine wunderschöne und super traurige Geschichte, aber man setzt sich mal mit einem Thema auseinander, das man sonst, gerade in seinen jungen Jahren, gerne mal zur Seite schiebt.

Lena

Denkt mal über die Fragen nach und wenn ihr eine Antwort für euch gefunden habt, teilt sie uns gerne mit. Dann erfahrt ihr vielleicht auch, was wir an unserem letzten Tag auf Erden noch machen wollen würden …

My sister’s keeper (Jodi Picoult; 2004 – self-published)

My sister’s keeper (Jodi Picoult; 2004 – self-published)

“If you have a sister and she dies, do you stop saying you have one? Or are you always a sister, even when the other half of the equation is gone?”

Diese Gedanken macht sich die 13-jährige Anna Fitzgerald, die geboren ist, um ihrer Schwester Kate, die an Leukämie leidet, das Leben zu retten. Eigentlich ein ehrenwerter Job, oder? Aber wie würdest du damit umgehen, wenn du weißt, dass es dich nur gibt, weil deine Schwester todkrank ist? Da ist es doch selbstverständlich, dass Anna sich fragt, was wäre, wenn Kate gesund gewesen wäre …

Anna möchte nicht mehr spenden. Seit sie ein Baby ist, stand es nie zur Diskussion, ob sie ihr Blut oder ihre Stammzellen spenden möchte. Es war eben so und wenn Kate etwas brauchte, dann war es klar, dass Anna auf Feriencamps oder Geburtstage verzichtete. Doch so möchte sie nicht weiterleben. Anna wünscht sich, selber über ihr Leben entscheiden zu können und ihr Leben in der eigenen Hand zu haben. Anlass für diese Gedanken ist die Spende einer Niere, die Annas Leben für immer beeinflussen würde …

So nimmt sie sich einen Anwalt und zieht vor Gericht. Sie möchte erreichen, dass sie medizinische Entscheidungen selber treffen darf und in diesem Punkt unabhängig von ihren Eltern wird. Doch erteilt man einem 13-jährigen Mädchen diese Macht? Und wie stehen ihre Eltern und viel wichtiger – ihre Schwester dazu?

Ich bin beeindruckt von dem Roman! Er ist aus den verschiedenen Perspektiven geschrieben, also bekommt man Einblicke in die Gedanken aller Familienmitglieder, sowie in die der am Prozess beteiligten Personen. Ich musste meine anfängliche Meinung zu einigen Personen auf Grund dessen auch so manches Mal revidieren, da sich hinter einer harten Schale nicht selten ein weicher Kern versteckt – und andersherum. Zudem konnte ich mich sehr gut in Anna hineinversetzen: Einerseits möchte sie ihr Leben selber in die Hand nehmen und andererseits möchte sie nicht für den Tod ihrer Schwester verantwortlich sein. Und es gibt da auch noch ein paar andere Faktoren, die sie in ihrer Entscheidung beeinflussen …

Ich habe mich häufig gefragt, wie ich in so einer Situation handeln würde. Ich habe versucht, mir vorzustellen wie es ist, mit einem Grund geboren zu sein. Und ich habe angefangen Kate genauso zu lieben wie es Anna und ihre Familie tun – und so vielen mit einige Passagen im Roman umso schwerer. Ich kann dieses Buch jedem empfehlen! Wirklich, es thematisiert auf einem sehr angenehmen Weg ethische Probleme und die Geschichte ist zugleich interessant, herzerwärmend und auch etwas hart zu lesen.

Lena

Tja, welche Frage hier kommt ist wohl klar, oder? Wie hättet ihr an Annas Stelle gehandelt? Und hatte noch jemand Tränen in den Augen, als der Roman zuende war?