Cinderella is dead (Kalynn Bayron; 2020 – Bloomsbury)

Cinderella is dead (Kalynn Bayron; 2020 – Bloomsbury)

Do not be silent. Raise your voice. Be a light in the dark.”

Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Cinderella – das Mädchen, das ihren Traumprinzen gefunden hat. Wünschen wir uns nicht alle so ein glückliches Ende für uns selbst? Doch was, wenn das Glücklichsein zur Pflicht und das Happy End erzwungen wird?

Sophia lebt in Lille. Derselbe Ort, an dem vor 200 Jahren Cinderella gelebt hat. Seit deren Tod ist der Alltag der Menschen dort von Cinderellas Geschichte bestimmt. Regeln wie „jeder Haushalt muss eine Kopie von Cinderellas Geschichte Zuhause haben“ oder „der jährliche Ball ist für alle eingeladenen Mädchen verpflichtend“ klingen vielleicht harmlos und fast malerisch. Wäre da nicht die Tatsache, dass alle Mädchen ab dem Alter 16 zu dem Ball eingeladen werden und dieser einzig und allein dazu dient, die Mädchen zu verheiraten. Ab dem Moment, in dem sie „auserwählt“ werden, haben sie keine eigenen Rechte mehr. Zudem wird erwartet, dass man auf dem Ball erscheint, als hätte einen die gute Fee höchstpersönlich verzaubert, obwohl diese seit Cinderellas Verwandlung nie wieder gesehen wurde. Wer nicht angemessen festlich zum Ball erscheint oder bei seinem dritten Ball nicht erwählt wird, wird bestraft. Viele Familien, in denen der Mann das Sagen hat, sparen bereits lange vor dem 16. Geburtstag ihrer Töchter, um sie „gut“ zu verheiraten. 

Sophia findet nicht nur das System, das König Manford durchgesetzt hat, grundsätzlich furchtbar, sondern hat auch ihr ganz persönliches Problem damit: sie ist in ihre Freundin Erin verliebt, die bei dem Ball ebenfalls verheiratet werden soll. Für homosexuelle Menschen, wie Sophia, ist in Lille kein Platz, aber weglaufen ist auch keine Option. Die Grenzen werden, genau wie der Palast am Abend des Balls, streng bewacht. Trotzdem verlässt Sophia den Ball und schafft es sich vorerst im Wald zu verstecken. Dort trifft sie auf Constance – das Mädchen in den Jungsklamotten, das ihr eine ganz andere, bitterere Version von Cinderellas Geschichte erzählt. Auf der Suche nach Antworten treffen die zwei auf gut gehütete Geheimnisse, die sie dazu veranlassen einen Angriff auf König Manford zu planen. Doch was verbirgt sich hinter der Fassade des verschlossenen Königs?

Der Roman hat mir sowohl im Stil als auch inhaltlich sehr gut gefallen! Kalynn Bayron schreibt von starken Mädchen in einer fiktiven Welt. Sie vereint Themen wie Feminismus und Homosexualität und schreibt eine klassische und kitschige Geschichte neu. Ihre Beschreibungen der Landschaft und des Stadtlebens und ihr Schreibstil sind sehr anschaulich, sodass man das Gefühlt hat mit Sophia auf dem Ball zu sein oder mit Constance durch den Wald zu rennen. Ich kann das Buch allen empfehlen, die sich für Feminismus und Homosexualität interessieren und gleichzeitig gerne etwas weniger Kitsch haben.

Majlis

Würdet ihr gerne in Lille leben? Mögt ihr Erin oder Constance lieber?

Dies ist die Lösung zu Collage 15.

Die Charité (Ulrike Schweikert, 2018 / 19; Rowohlt-Verlag)

Die Charité (Ulrike Schweikert, 2018 / 19; Rowohlt-Verlag)

„Nur wer sich bewegt, spürt seine Fesseln.“ (Rosa Luxemburg)

Hoffnung und Schicksal

In Berlin fürchtet man sich 1831 sehr vor der Cholera. Der erste offizielle Fall wird auf einem Spreekahn identifiziert, wo ein Schiffer einen grausamen Tods erlebt. Die Ärzte in der Charité, unter ihnen ist auch ein Arzt namens Dieffenbach, haben alle Hände voll zu tun und suchen verzweifelt nach einem Heilmittel. Doch nicht nur die Männer kämpfen in diesen dunklen Zeiten, auch die Frauen haben ihre ganz eigenen Kämpfe auszufechten. So such die in einer Ehe gefangenen Gräfin Ludovica in den Gesprächen mit Doktor Dieffenbach Trost, die Hebamme Martha tut alles, um ihrem Sohn die bestmöglichste Zukunft zu bescheren und die junge Pflegerin Elisabeth verliebt sich nicht nur in der für sie nahezu unerreichbare Medizin, sondern verbotenerweise auch in einen jungen Arzt …

Aufbruch und Entscheidung

Im Jahr 1903 schafft es Rahel Hirsch, die erste Ärztin an der Charité zu werden. Sie ist eine leidenschaftliche und geschätzte Forscherin, wird von ihren männlichen Kollegen aber weitgehend nicht akzeptiert. So wie Rahel jeden Tag zu spüren bekommt, dass der Kampf um die Gleichberechtigung noch lange nicht ausgefochten ist, merkt auch Barbara, eine Wäscherin der Charité, dass Männer die Frauen weiterhin als ihren Besitz betrachten. Obwohl die beiden Frauen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten kommen, bildet sich eine Freundschaft, in der jeder seinen eigenen Kampf ficht: Rahel setzt sich in der Charité durch und versucht in ihrem zielstrebigen Alltag auch noch Platz für ihre Liebe zu einem jungen Fliegerpionier zu finden, und Barbara kämpf für die Rechte der Arbeiterinnen und das Frauenwahlrecht. Aber dann bricht der erste Weltkrieg aus und nicht nur das Leben der beiden Frauen wird grundlegend verändert …

Die beiden Romane erzählen vor allem von der Geschichte des wohl berühmtesten Krankenhauses in Deutschland. Die Erfolge und Tiefschläge werden eindrücklich beschrieben und die medizinischen Vorgänge werden einleuchtend, aber nicht zu kompliziert in die Geschichte eingebunden. Aber neben der Charité werden auch die Kämpfe der Frauen behandelt, zunächst, wie sie um die einfachsten Rechte wie die Arbeit kämpften und dann auch um das Wahlrecht und das Recht, in der Arbeit aufzusteigen. Im zweiten Roman wird außerdem sehr berührend geschildert, wie der Erste Weltkrieg Deutschland überrollte. Und wo es auf der einen Seite Kriegsbegeisterung gab, gab es auf der anderen Seite die bangenden und arbeitenden Frauen in der Heimat.

Ich habe beide Romane geliebt und verschlungen! Die Medizin interessiert mich sehr und obwohl ich es abschreckend fand, wie man im 19. Jahrhundert operiert hat, war ich begeistert von den Entdeckungen, die dann gemacht wurden. Toll fand ich, dass die Autorin viele reale Personen eingebracht hat. So fand man Paul Ehrlich und Robert Koch, aber auch die Protagonisten der Bücher, Rahel und Professor Dieffenbach gab es wirklich. Des Weiteren ist es Ulrike Schweikert bestens gelungen, den Kampf der Frauen in ihren Roman einzubinden.

Ich kann diesen Roman bedingungslos allen Lesern empfehlen, die ein bisschen wissenschaftlich und geschichtlich interessiert sind, wobei diese Bücher aber leicht zu lesen sind!

Lena

Welcher Roman hat euch mehr ergriffen? Und glaubt ihr, ihr hättet immer den Mut und die Kraft gehabt, so zu kämpfen, wie Martha, Elizabeth, Rahel und Barbara es getan haben? 😊

To kill a Mockingbird (Harper Lee, 1960, J.B. Lippincott & Co.)

To kill a Mockingbird (Harper Lee, 1960, J.B. Lippincott & Co.)

“If there is just one kind of folks, why can’t they get along with each other? If they’re all alike, why do they go out of their way to despite each other?”

Harper Lee erzählt eine Geschichte über Kinder, die in den 1930er Jahren den Rassismus in den Südstaaten Amerikas kennenlernen. Jean Louise und ihr vier Jahre älterer Bruder Jeremy Atticus, genannt Scout und Jem, sind die Kinder des Anwalts Atticus Finch, der mit den beiden in der fiktiven Kleinstadt Maycomb lebt. Die Mutter der Kinder ist früh verstorben und seitdem hilft dem Vater die afroamerikanische Haushälterin Calpurnia die Kinder zu versorgen.

Scout, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, und Jem verbringen ihre Tage ausschließlich draußen und im Sommer stößt Dill, der Neffe ihrer Nachbarin, noch zu ihnen. Zu dritt erleben sie viele kleine Abenteuer, bei denen das geheimnisvolle Radley-Haus meistens im Mittelpunkt steht. Denn dort wohnt der mysteriöse (Arthur) Boo Radley, vor dem alle Kinder in Maycomb Angst haben, obwohl (oder vielleicht auch genau deshalb) er niemals aus dem Haus kommt. Zum Missfallen ihrer Tante wächst Scout ganz und gar nicht zu einer kleinen Dame heran, sondern eher zu einem kleinen Wildfang.

Der eigentliche Kern der Geschichte sind aber nicht die Abenteuer der Kinder. Atticus bekommt den Auftrag, den afroamerikanischen Tom Robinson vor Gericht zu verteidigen, weswegen er zum Leidwesen seiner Kinder in Maycomb als „niggerlover“ bekannt ist. Angeklagt ist er, weil Mayella Ewell, die Tochter des größten Antagonisten der Geschichte, aussagt, dass er sie vergewaltigt hätte. Das Gerichtsverfahren und die Folgen verfolgen auch Scout, Jem und Dill und die Kinder fangen an zu verstehen, was die eigentlichen Probleme der Gesellschaft sind und müssen dabei das ein oder andere Mal ganz schön viele Ungerechtigkeiten schlucken …

Der Roman war für mich in mehrerlei Hinsicht ein neues Leseerlebnis. Zum einen habe ich ihn auf Englisch gelesen und da der Roman schon älter ist, war es sprachlich ein ganz neues Gefühl. Zum anderen habe ich mich mit der Thematik aber auch noch nicht so viel beschäftigt, zumindest nicht in der Form eines Buches. Zunächst hat es sich für mich etwas mühsam gelesen, da man als Leser sehr lange in die Gemeinde Maycomb eingeführt wird und zugegeben ist das als nicht Muttersprachler etwas schwierig und in die Länge gezogen. Aber wenn man im zweiten Teil des Buches angekommen ist, dann versteht man, warum der erste Teil so wichtig war, denn das was die Kinder am Ende verstehen, nämlich die Mentalität des Volkes, das muss auch der Leser verstehen und dafür ist es nun mal nötig, die Gemeinde zu kennen.

Ich habe den Roman sehr gerne gelesen und war mit jedem Kapitel begeisterter. Wie bereits erwähnt habe ich die englische und Originalversion „To kill a mockingbird“ gelesen, das deutsche Pendant trägt den Titel „Wer die Nachtigall stört“ und entspricht nahezu lückenlos dem Originaltext. Ich empfehle diesen Roman allen begeisterten Lesern, die sich für Menschenrechte und Rassismus interessieren und der Thematik vielleicht auch mal ganz von vorne durch die Augen von Kindern auf den Grund gehen wollen!

Lena

Was ging euch durch den Kopf, als Scout in der Schule über die Judenverfolgung Hitlers gesprochen hat und Zuhause die Prinzipien ihrer Gesellschaft hinterfragte? Und hättet ihr Atticus gerne als Vater? Schreibt es in die Kommentare! 😊