Man vergisst nicht, wie man schwimmt (Christian Huber; 2022 – dtv)

Man vergisst nicht, wie man schwimmt (Christian Huber; 2022 – dtv)

„Sei einmal cool, Krüger!“ – Victor

Cool sein – das ist etwas, das Krüger sich schon lange wünscht. Doch eigentlich genau so lange hat er akzeptiert, dass er niemals cool sein wird. Krüger heißt eigentlich Pascal und er kann es kaum erwarten, dass der Sommer vorbei ist. Denn seitdem er nicht mehr schwimmen gehen kann, hasst er nichts mehr als den Sommer und die Hitze. Zum Glück ist es der 31. August 1999 und somit für Krüger der letzte Tag des Sommers.

Eigentlich hatte er den Tag im Bett verbringen wollen, doch dann steht sein bester Freund Victor vor der Tür, und die beiden beschließen, den Tag gemeinsam in ihrer verschlafenen Heimatstadt Bodenstein zu verbringen. In einem Elektro-Geschäft, in dem sie ein neues Videospiel ausprobieren, treffen sie auf ein Mädchen, das nicht nur ein neues Nokia-Handy, sondern auch Krügers Rucksack stiehlt. Natürlich müssen sie das Mädchen finden. Krüger, weil in dem Rucksack sein Notizbuch liegt, und Victor, weil er das Nokia mitgehen lassen möchte. Auf der Suche nach ihr treffen die beiden schließlich auf eine Spur, die sie zu einem Wanderzirkus etwas außerhalb der Stadt führt. Dort finden sie schließlich das Mädchen, das sich ihnen als Jacky vorstellt. Jacky scheint eigentlich ganz okay zu sein. Zumindest beeindruckt sie die beiden Jungs sehr mit ihren Messerwurf-Künsten. 

Spontan schmieden die drei einen Plan, um am Abend auf eine Party bei den beliebtesten Mädchen der Stadt zu gelangen. Dabei überschreiten sie auch einige Male die feine Grenze zwischen Mut und Leichtsinn …

Krüger lernt an diesem Tag viele neue Dinge. Zum Beispiel, dass es okay ist, nicht „cool“ zu sein, wie wichtig wahre Freundschaften sind oder dass es nichts Schlimmes ist, sich zu verlieben. Und auch, dass man nicht vergisst, wie man schwimmt.

Der Roman hat mich sehr fasziniert. Die gesamte Geschichte spielt an diesem einen Tag, dem 31. August 1999. Auch wenn das über zwanzig Jahre her ist, sind die jugendlichen Charaktere authentisch. Die vielseitigen Erlebnisse der Drei werden sehr detailliert und durchdacht aus Krügers Perspektive beschrieben. Christian Huber schafft es, einen kompletten Coming-of-age-Roman, der viele Themen, wie Freundschaft, den eigenen Körper, Liebe, aber auch Tod beinhaltet, an einem einzigen Tag spielen zu lassen, ohne dass es langweilig wird. Der Schreibstil sorgt dafür, dass man aus der Geschichte am liebsten gar nicht mehr auftauchen möchte. Der Roman zieht einen aber nicht nur durch seine tolle Erzählweise in den Bann, sondern auch durch Krügers viele Geheimnisse, z.B. warum er nicht mehr schwimmen kann, warum er Krüger genannt wird oder auch warum er sich nicht verlieben darf. Die Antworten darauf werden Stück für Stück immer wieder angedeutet und lassen einen eigene Theorien aufstellen. Krügers Geschichte ist sehr eindrucksvoll und beschäftigt einen auch noch nach dem Beenden des Buches. Der Roman macht gleichzeitig Lust auf Sommer und auf Abenteuer.

Majlis

Kennt ihr das Gefühl, dass manche Tage sich wie eine ganze Woche anfühlen?

Nicht weg und nicht da (Anne Freytag; 2018 – Heyne-Verlag)

Nicht weg und nicht da (Anne Freytag; 2018 – Heyne-Verlag)

Könntest du guten Gewissens einfach so weiterleben wie zuvor, wenn dein großer Bruder, der ALLES für dich war, gerade Selbstmord begangen hat?

So geht es der 16-jährigen Luise. Sie lebte mit ihrer Mutter und ihrem Bruder, Kristopher, in München und seit ihre beste Freundin Ming nach Berlin gezogen ist, war ihr Bruder ihr bester Freund, ihr Trost, ihr Hobby – einfach alles. Doch dieser litt sein Leben lang an einer bipolaren Störung und um dieser Krankheit zu entkommen, war Selbstmord seine einzige Lösung.

Aber ist das wirklich eine Lösung? Nicht für Luise. Und so entscheidet sie sich für einen radikalen Bruch in ihrem Leben, rasiert sich die Haare ab und umgibt sich mit einer Mauer, die keiner durchdringt. Als sie an ihrem 16. Geburtstag eine E-Mail von ihrem toten Bruder bekommt, fängt diese Mauer allerdings an zu bröckeln und so öffnet sie sich nun doch Stück für Stück Jacob, den sie zunächst auf Distanz hielt.

Jacob war in Kristophers Klassenstufe und lebt mit seinem Halbbruder Arthur zusammen. Als er die „neue“ Luise zum ersten Mal sieht, ist er sofort fasziniert von ihr. Zu gerne hilft er ihr, die Aufgaben, die sie von ihrem Bruder bekommt, zu erfüllen und ihr das Leben wieder lebenswert zu machen. Vielleicht ist dies auch seine Art, mit seiner eigenen Vergangenheit umzugehen …?

Mit der Zeit und mit der Hilfe ihres Psychiaters, von Kristopher und von Jacob finden auch Luise und ihre Mutter wieder näher zusammen. Aber gelingt es den beiden, den Tod Kristophers nicht nur zu überleben, sondern auch den Wert des Lebens wiederzufinden? Werden sie ihrem geliebten Sohn und Bruder verzeihen können, dass er sie im Stich gelassen hat? Und wird Luise den Mut haben, glücklich zu sein, wo sie in ihren Augen doch eigentlich um ihren Bruder trauern sollte?

Anne Freytag hat es mal wieder geschafft, mich voll und ganz in den Bann ihrer etwas traurigen Geschichten zu ziehen. Ich liebe es, in ihre Geschichten einzutauchen und genieße es, diese sehr emotionalen Bücher zu lesen. Mich faszinierte nicht zum ersten Mal, wie eine fiktive Geschichte mich derart mitnehmen kann, sodass ich das Gefühl habe, die Mails von Kristopher selber zu bekommen und dementsprechend auch so reagiere, wie Luise es tut …

Die Autorin erzählt die Geschichte mal aus Luises und mal aus Jacobs Perspektive. Gleich zu Beginn stößt man als Leser auf Geheimnisse beider Seiten, die es zu lüften gilt. Sowohl Luise als auch Jacob sind geprägt von ihrer Kindheit und ich fand es spannend zu sehen, wie der eine mit seinem Leben das Leben des anderen ergänzen kann. Außerdem gibt es auch zu diesem Roman eine Playlist auf Spotify (wie bei Maybe Someday), mit der man Luise und Jacob beim Kochen, beim Reden und beim Tanzen begleiten kann.

Ich empfehle dieses Buch allen Lesern, die einen Hang zu etwas traurigen Geschichten haben oder vielleicht selbst ein Teil einer solchen Geschichte sind. Denn egal was passiert – das Leben ist lebenswert! Und daran kann nichts und niemand etwas ändern!

Lena

Gibt es noch jemanden außer mir, der fasziniert von Kristophers Liebe zu Wörtern war? Und wer hätte Luise auch manchmal gerne in den Arm genommen und ihr mit Blicken das gesagt, was ihr Bruder nicht mehr konnte? Schreibt es in die Kommentare! 😊