Das Mädchen im blauen Mantel (Monica Hesse; 2016 – cbt)

Das Mädchen im blauen Mantel (Monica Hesse; 2016 – cbt)

Auf Instagram finden sich Hashtags wie „Coronadiktatur“. Doch wie ist es, in einer wirklichen Diktatur zu leben? Hanneke, die im von den Deutschen besetzten Amsterdam lebt, hat ihre eigene Möglichkeit gefunden, gegen die Unterdrückung zu rebellieren: Sie besorgt Schwarzmarktgüter, wie Fleisch, Zigaretten oder Lippenstifte, und verkauft diese heimlich in ihrer Nachbarschaft. Doch eines Tages bekommt sie einen ungewöhnlichen Auftrag. 

Frau Janssen, die Mann und Sohn verloren hat, bittet Hanneke darum, jemanden für sie zu suchen. Jemanden – nicht etwas. Hanneke will zuerst ablehnen, denn der Auftrag ist gefährlich: Frau Janssen hatte ein jüdisches Mädchen bei sich versteckt, das weggelaufen war. Warum nur? Hanneke merkt, dass dieses Rätsel sie trotz aller Angst viel zu sehr beschäftigt: Wie hat Miriam, das Mädchen, das in Frau Janssens Speisekammer gelebt hatte, es geschafft, unbemerkt aus dem Haus zu kommen? Was hat sie dazu gebracht? Wo ist sie jetzt? 

So macht sie sich auf den Weg zu Frau Janssen, um den Auftrag doch anzunehmen. Während sie so viele Informationen wie möglich sammelt, wird ein Merkmal immer wieder genannt: Miriams blauer Mantel. Bei ihrer Suche stößt sie auf die Widerstandsgruppe, die unter anderem von Olli, dem Bruder ihres gefallenen Freundes, gegründet wurde. Judith aus der Gruppe ist dazu bereit, ihr zu helfen, aber nur unter der Bedingung, dass sie sich der Gruppe anschließt. Hannekes Handeln wird immer gefährlicher und sie wagt Aktionen, die ihr den Tod bringen könnten. Als sie schließlich auf eine Spur stößt, merkt sie, dass nicht alles ist, wie sie es angenommen hatte. Was geschah wirklich in der Nacht, als Miriam zu Frau Janssen kam? Kann Hanneke es schaffen, Miriam zu finden und zu retten?

Der Roman hat mich sehr gefesselt. Monica Hesse lässt nicht nur Hanneke, sondern auch den Leser selbst rätseln und legt dabei viele falsche Fährten. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe es in wenigen Tagen durchgelesen, um das Geheimnis zu lüften. Zudem finde ich es sehr eindrucksvoll beschrieben, wie die Nazis das Leben vieler Menschen kontrolliert und zerstört haben. Bisher habe ich nur wenige historische Bücher gelesen, dieses hat mich aber sehr dazu ermutigt, mich in diesem Bereich mehr umzusehen.

Majlis

Ich fand Hanneke ganz schön mutig. Hättet ihr euch auch getraut, so wie sie vorzugehen? Schreibt es in die Kommentare : )

Die Nachtigall (Kristin Hannah; 2019; Aufbau-Verlag)

Die Nachtigall (Kristin Hannah; 2019; Aufbau-Verlag)

„Zwei Schwestern. Die eine kämpft für die Freiheit. Die andere für die Liebe.“

Vianne und Isabelle sind zwei Schwestern, die in ihrer Kindheit keine Liebe erfahren haben und sich voneinander distanzierten. Während Vianne ihr Glück mit ihrem Ehemann Antoine gefunden hat, ist die jüngere Isabelle auf sich gestellt und weder bei ihrer Schwester noch bei ihrem Vater willkommen. Doch ein Krieg ändert alles und so stellen sich auch die beiden zu Beginn des zweiten Weltkriegs die Frage, was man tun kann, um die zu retten, die man liebt.

Vianne Mauriac lebt mit ihrer Tochter Sophie und ihrem Mann in Carriveau, einem kleinen Dorf im Loiretal. Als Antoine als Soldat einberufen wird, denkt Vianne, dass nun das Schlimmste gekommen sei. Sie ahnt zu dem Zeitpunkt noch nichts von der Judenverfolgung und von der Einquartierung Deutscher bei französischen Frauen … Zusammen mit Sophie kämpft Vianne um das bloße Überleben und muss dabei die schmerzhaften Erfahrungen des Verlustes, der Angst, der Wut und der Verzweiflung machen. Aber für die, die sie liebt, lebt sie immer weiter, egal was kommt …

Isabelle Rossignol, die in ihrer Jugend aus einer Klosterschule nach der anderen fliegt, versucht zum wiederholten Mal, bei ihrem Vater in Paris unterzukommen. Dieser jedoch stößt sie wie immer von sich und Isabelle macht sich auf den Weg zu Vianne. Auf dem Weg trifft sie auf Gaёton, einen Widerstandskämpfer, der sie dazu inspiriert, selber aktiv zu werden. Durch Zufall gerät sie an die Widerstandsgruppe um Levy, mit der sie die Fluchtroute der Nachtigall über die Pyrenäen ausarbeitet. Der Plan ist es, abgeschossene Piloten der RAF, aus Kanada oder den USA nach Spanien zu bringen – und Isabelle soll den Weg gehen …

Während des Krieges merken die Schwestern, wie wichtig die Familie ist, aber können sie in Zeiten wie diesen füreinander da sein? Kann Vianne Isabelle bei sich aufnehmen, die etwas tut, wofür sie jeden Moment erschossen werden könnte? Und hat die Liebe im Krieg eine Chance?

Ich habe diesen Roman, der im Wechsel aus der Sicht von Vianne und Isabelle geschrieben ist, mehrfach gelesen und wie beim ersten Mal, so war ich auch beim zweiten Mal noch zutiefst beeindruckt von der Courage und Bedeutung der Frauen im Zweiten Weltkrieg. Ich glaube, dass vielen häufig gar nicht so bewusst ist, was für eine wichtige Rolle die Frauen im Krieg hatten, wo die Männer alle an der Front waren. Und nicht ohne Grund wurde der weibliche Widerstand als der zäheste und gefährlichste angesehen. In diesem Roman schildert Kristin Hannah sowohl familiäre als auch moralische Konflikte, die zu Hunderten oder auch Tausenden im Krieg stattgefunden haben werden.

Im Einzelnen hat mich besonders das Durchhaltevermögen von Vianne, die für sehr viele französische Frauen unter der Herrschaft der Nazis steht, beeindruckt und wie sie trotz beinahe täglicher Rückschläge für ihre Tochter weitergelebt hat. Und auch Isabelle hat in mir den Wunsch geweckt, im Ernstfall so zu handeln wie sie. Denn dieses scheinbar so furchtlose Mädchen hat Sachen bewirkt, die keine Armee von Soldaten zustande bringen könnte.

Aber neben all diesen Punkten ist mir vor allem klar geworden, wie wichtig die Familie und die Liebe ist, denn die gibt uns Kraft, von der wir eigentlich glaubten, dass sie uns längst verlassen hat.

Lena

Könnt ihr euch besser mit Vianne oder mit Isabelle identifizieren? Warum? Und versteht ihr, dass Vianne ihre Schwester von sich stößt, als diese eigentlich dringendst Hilfe braucht? Schreibt es in die Kommentare! 😊

Die Fliedertochter (Teresa Simon – 2019, Heyne-Verlag)

Die Fliedertochter (Teresa Simon – 2019, Heyne-Verlag)

Wenn deine Ersatz-Oma, zu der du ein richtig gutes Verhältnis hast, dich aus Berlin nach Wien schicken würde, um ein Erbstück abzuholen, von dem sie nicht weiß, wie sie Anspruch darauf haben kann – wärst du dann nicht auch tierisch aufgeregt?

2018 – Paulina reist also nach Wien. Toni, ihre quasi-Oma hat sie geschickt, weil sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selber reisen kann. In Wien ist Paulina fasziniert von der Stadt und entdeckt voller Freude die verschiedenen Seiten. Dabei beschäftigt sie sich mit dem Erbstück, ein Tagebuch von einer ominösen Luzie. Sie versinkt in ihrer Lektüre und Moritz und Tamás, zwei Jungs, die durchaus fasziniert von der jungen Frau sind, helfen ihr, auf Luzies Spuren zu kommen. Paulina ist begeistert von Luzie und fühlt sich ihr auf eine tiefe Art verbunden. Ihre Gefühle werden dabei in jeder Hinsicht auf eine harte Probe gestellt …

1938 – Die Sängerin Luzie Kühn träumt von einer Karriere auf der Bühne, aber als Jüdin fühlt sie sich gezwungen Berlin zu verlassen und nach Wien zu Verwandten zu ziehen. Dort lebt sie zunächst das Leben, von welchem sie immer geträumt hat. Sie spielt Theater, verliebt sich in den Dichter Bela Król und hat ein tolles Umfeld. Bis die Nationalsozialisten auch nach Österreich kommen … Luzie ist zwar offiziell nicht mehr jüdisch, aber trotzdem hat sie mit dem neuen Regime zu kämpfen. Wagner, ein Angestellter am Theater hat sie auf dem Kieker und schreckt vor gar nichts zurück … er würde auch töten und an seine Ziele zu kommen. Luzie findet Rat und Zuflucht bei dem katholischen Bruder Franz, ein Mönch, den sie auf ihrer Zugfahrt kennenlernte. Aber kann man mit Freundschaft und Zuversicht den Krieg überstehen?

Ein fesselnder Roman, der den Leser durch die Zeiten mitnimmt. Teresa Simon hat mich gleich in zwei Geschichten reisen lassen und mir ging es wie Paulina: Ich habe mit Luzie geweint, gelacht, geliebt, gehasst, ich habe ihren Schmerz und ihre Verzweiflung gespürt. Wenn Paulina das Tagebuch weggelegt hat, dann musste ich auch manchmal eine Pause machen, denn Luzies Geschichte geht einem durch Mark und Bein und obwohl sie fiktiv ist, könnte sie sich so und noch schlimmer ereignet haben. Aber auch mit Paulina konnte ich mitfühlen. Auch sie ist mal fröhlich, mal traurig, verzweifelt und glücklich und als sie mit der Geschichte ihrer Familie konfrontiert wurde, stand ich ihr bei und hätte sie gerne in den Arm genommen.

Ich kann diesen Roman alles Lesern empfehlen, die auch gerne „Eine Nacht im November„, „Leas Spuren„, „Alles Licht, das wir nicht sehen“ oder andere Bücher, die die Judenverfolgung thematisieren gerne gelesen haben.

Lena

Was glaubt ihr, wie die Geschichte für Wagner ausgegangen ist? Hat er seine Strafe bekommen? Und wem ging es auch so, dass man manchmal einfach nicht weiterlesen konnte? Schreibt es in die Kommentare! 😊

Leas Spuren (Bettina Storks; 2019 – Diana-Verlag)

Leas Spuren (Bettina Storks; 2019 – Diana-Verlag)

Wem würde es nicht ein wenig seltsam vorkommen, wenn er, als Deutscher wohlgemerkt, ein teures Apartment in Paris erben würde, sich dieses aber mit einem ihm unbekannten Franzosen teilen müsste und das Erbe an die Erfüllung einer Bedingung geknüpft wäre?

Die Stuttgarter Historikerin Marie Bergmann erhält im Herbst 2016 eine Einladung zu einer notariellen Testamentseröffnung in Paris, wo sie auf den Franzosen Nicolas Blanc, den Enkel des verstorbenen Victor Blanc, trifft. Beide zusammen erben sie eine teure Wohnung in Paris, die sie allerdings erst ihr eigen nennen dürfen, wenn sie den letzten Wunsch Victors erfüllt haben: Sie sollen ein im Zweiten Weltkrieg verloren gegangenes Gemälde wiederfinden und es seinem rechtmäßigen Besitzer zukommen lassen. Aber welche Rolle spielt Maries verstorbene Großtante Charlotte in der Geschichte?

Gemeinsam begeben sich Nicolas und Marie auf die Suche nach dem Gemälde. Als Journalist und Historikerin scheinen sie die perfekten Berufe zu haben, dennoch stoßen sie immer wieder auf Granit. Verzweifelt stöbern die beiden durch Berichte aus der Deutschen Besatzungszeit in Paris, tauchen in den systematischen Kunstraub ein und verfolgen die Wege der sogenannten „entarteten“ Kunst.

Auf ihrer Suche nach dem Mädchen im Jardin du Luxembourg stoßen Marie und Nicolas auch auf die Vergangenheit, die ihre Familien verbindet. Die Frage, was der Franzose Victor zur Zeit des Zweiten Weltkrieges mit der Deutschen Charlotte zu tun hatte, beschäftigt sie mindestens ebenso sehr wie das Gemälde. Und warum spricht Maries Großmutter nicht über die Zeit? Weiß sie etwas, was Marie und Nicolas einen großen Schritt voranbringen könnte? Welches Geheimnis verschweigt die Concierge? Und ist es überhaupt möglich, den rechtmäßigen Besitzer nach so langer Zeit zu finden?

Als wären das nicht schon genug Probleme, müssen sich die beiden mit der Zeit auch noch ihren wachsenden Gefühlen füreinander stellen, was die Suche nach Antworten auf Dutzende Fragen nicht gerade einfacher macht.

Die Handlung spielt sich wechselnd in der Gegenwart und der Vergangenheit ab. Abwechselnd wird die Geschichte von Marie und Nicolas sowie von Victor und Charlotte erzählt, wodurch Stück für Stück mehr Teile eines großen Puzzles freigelegt werden. Mir persönlich hat es sehr viel Spaß gemacht, zusammen mit Nicolas und Marie die Spuren ihrer Familien zu entdecken. Zudem war ich fasziniert davon, wie Bettina Storks es geschafft hat, das Thema des Kunstraubs und der Judenverfolgung mit einer Familiengeschichte und gleich zwei Liebesgeschichten zu verbinden.

Genau wie schon bei „Alles Licht, das wir nicht sehen“ ist der Wechsel zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit absolut gelungen und der Lesefluss wird dadurch nicht gestört, sondern eher gefördert.

Ich empfehle diesen Roman allen begeisterten Historikern unter den Leseratten. Aber auch Kunstliebhaber kommen auf ihre Kosten, und ein wenig Herzschmerz darf nicht fehlen! Meiner Meinung nach ist es ein rundum gelungener Roman!

Lena 

Habt ihr euch in der Gegenwart bei Marie und Nicolas oder in der Vergangenheit bei Victor und Charlotte wohler gefühlt? Welcher Person fühlt ihr euch am nächsten? Schreibt es in die Kommentare! 😊