Ypsilons Rache (Lou Bihl, 2021, Unken – Verlag)

Ypsilons Rache (Lou Bihl, 2021, Unken – Verlag)

„… egal, wie weit du gehen willst, wichtig ist, dass du deine eigene Essenz findest …“

Kristian Starck, ein Mitte fünfzig jähriger Pathologe, lebt in Berlin, wo er sich zumindest Zuhause traute, sein Doppelleben auszuleben. Doppelleben? Kristian ist gelegentlich auch Kristina, ein Traum, des er schon seit Kindesbeinen an hatte. Doch er ist sich gar nicht mehr so ganz sicher, ob er diesen Traum immer noch ernsthaft anstrebt oder ob es mehr ein Liebäugeln mit der Option ist. Allerdings stellt sich auch die Frage – ist das noch eine Option? Eine Geschlechtsumwandlung, wo doch gerade ein Prostata-Karzinom entdeckt wurde? Während seines Sabbaticals wollte er eigentlich ein Buch schreiben, nun geht er erst einmal auf die Suche nach sich selbst …“

Auf seiner Reise trifft Kristian seine Familie, Freunde und Bekannte, mit denen er noch ein vielleicht letztes Mal zusammenkommen will. Und er hat sich vorgenommen, sich zu outen – zum Einen als Krebskranker, zum Anderen als Kristina. Aber kann er immer den Mut dazu aufbringen? Und wie reagieren die anderen darauf? Kann jeder damit umgehen, dass ein fünfzig Jahre geglaubter Freund plötzlich eine Freundin wird, die möglicherweise bald stirbt? Während all dem Gefühlschaos steht ihm seine beste Freundin Alex zur Seite, die (zumindest fast) immer einen guten Spruch parat hat.

In Hamburg trifft er durch einen Zufall auf Chloé – doch Chloé ist nicht nur eine nette Gesprächspartnerin. Sie ist auch eine Transgenderfrau und hat ein Geheimnis, welches sie sehr reserviert werden lässt – nur welches?

Ein Roadtrip zur Selbstfindung – das ist der Autorin sehr gut gelungen. Das Buch wird aus Kristians Perspektive erzählt, weswegen dem Leser seine einzelnen Stadien der Selbstfindung sehr deutlich vor Augen geführt werden. Zu Beginn des Buches und seiner Reise fiel es mir noch ein bisschen schwer, zu fühlen, was er gefühlt hat und dementsprechend wurde das Lesen auch ein bisschen mühsam. Aber je näher ich den Protagonisten kennengelernt habe, desto mehr Spaß hat es mir gemacht, ihn zu begleiten und am Ende habe ich richtig mit ihm mitgeliebt, -gelacht und -getrauert.

Ich kann das Buch total weiterempfehlen! Vielleicht spricht es etwas ältere Leser etwas mehr an, als jüngere Leser, da die Sprache zum Teil ein bisschen ausgefallen und auch vulgär ist. Die Thematik ist sehr spannend und das Buch gibt dem Leser tolle Gedanken mit auf den Weg, nur glaube ich, dass Kinder und junge Jugendliche damit noch nicht sonderlich viel anfangen können. Aber es ist ein absolut gelungener Roman, der eine sehr tiefgründige Entwicklung darlegt.

Lena

Hättet ihr erwartet, dass die Geschichte mit Chloé so ausgeht und wie habt ihr darauf reagiert? Und wer hätte auch gerne so eine Enkelin wie Micky?! 😊

Die Hafenschwester – Als wir zu träumen wagten (Melanie Metzenthin – 2019 – Diana-Verlag)

Die Hafenschwester – Als wir zu träumen wagten (Melanie Metzenthin – 2019 – Diana-Verlag)

Stell dir vor, dein 14-jähriges Ich wäre plötzlich ganz auf sich allein gestellt. Und das nicht im 21. Jahrhundert, sondern gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Außerdem musst du für deinen Vater und kleinen Bruder sorgen, denn deine Mutter, sowie deine kleine Schwester sind tot.

1892 – wir befinden uns in Hamburg zu Beginn der Cholera-Epidemie. Martha Westphal muss nach dem seuchenbedingten Tod ihrer Mutter und Schwester das Überleben ihrer Familie sichern. Auf Grund der Not am Mann bekommt sie trotz ihres jungen Alters eine Stelle als Krankenpflegerin und darf dann sogar die Ausbildung zur Krankenschwester am Eppendorfer Krankenhaus machen. Entgegen der strengen Regeln der Erika-Schwestern, so nennt sich die Schwesternschaft am Krankenhaus, hält sie die Freundschaft zu ihrer besten Freundin Milli, die von ihrem Stiefvater zur Prostitution gezwungen wird. So bekommt sie Einblicke in alle Lebensverhältnisse, denn sie selber kommt aus der schlechteren Mittelschicht, Milli hat quasi verloren, ihre Arbeitskolleginnen jedoch wuchsen alle in wohlhabenderen Familien auf …

Neben ihrer Tätigkeit als Krankenschwester ist Martha auch aktiv in einer Frauenbewegung und sie schließt sich den Sozialdemokraten an, die die Arbeiterstreiks unterstützen, unter denen auch ihr Vater leidet, der dagegen kämpft, nicht dem Alkohol zu verfallen …

Unter all diesen schwierigen Umständen lernt Martha den jungen Paul Studt kennen, von dem sie auf Grund seiner politischen Überzeugung sofort begeistert ist. Ihm scheint es nicht anders zu gehen. Jedoch dürfen verheiratete Frauen unter keinen Umständen Erika-Schwester bleiben. Und eine von ihnen ist ganz besonders darauf aus, Martha Steine in den Weg zu legen …

Der Roman ist eine fiktive Geschichte, aber Personen wie Lida Heymann oder Johann Döring gab es echt. Somit wird ein ziemlich realitätsbezogenes Bild von Hamburg um 1890 geschaffen. Die Protagonisten Martha ist angelehnt an Melanie Metzenthins Urgroßmutter, wodurch diesem Charakter eine gewisse persönliche Note verliehen wird, die sie sehr sympathisch macht. Ein großes Thema ist auch die Spaltung der Gesellschaft …

Mir hat der Roman so gut gefallen, da die Stärke der Frauen und die Ungerechtigkeit innerhalb einer Gesellschaft so deutlich werden. Zudem konnte ich, nicht zum ersten Mal in einer genialen Geschichte von der Autorin, nicht aufhören zu lesen.

Aktuell finde ich das Thema der Cholera sehr spannend, da es einige Parallelen zu dem Coronavirus gibt. Jedoch waren die hygienische Vorsorge und die medizinische Versorgung damals bei weitem nicht so gut, weswegen wir uns wirklich glücklich schätzen können, heute zu leben!

Ich kann den Roman uneingeschränkt weiterempfehlen!!!

Lena

Hättet ihr euch den Sozialdemokraten angeschlossen oder hättet ihr lieber am alten Regime festgehalten? Und was glaubt ihr, was aus Milli geworden ist? Schreibt es in die Kommentare! 😊