Tales of Sylt (Alexandra Flint, 2023, Loewe-Verlag)

Tales of Sylt (Alexandra Flint, 2023, Loewe-Verlag)

„[Das war] mein neues Lebensmotto. Mutig sein. Etwas riskieren. Chancen nutzen. Denn manchmal … musste man eben etwas wagen, um zu gewinnen.“

Die „Tales of Sylt“ sind Geschichten über junge Erwachsene, die sich mit ihrem Eintritt in das Leben nach der Schule auf ihre ganz eigene Weise finden und vielleicht auch ein Stück neu kennenlernen müssen. Was sie vereint? Na klar, die Nordseeinsel Sylt. Aber eigentlich geht es noch um etwas anderes: Es geht um Freundschaft. Es geht um eine Freundesgruppe, die der sichere Hafen für jede der Mädchen ist. Sie hören den anderen zu, unterstützen sich und helfen einander. Eine Freundschaft, die unbezahlbar ist. Witzigerweise schreibe ich diese Zeilen gerade im Zug auf dem Rückweg von einem Kurztrip nach Sylt. Warum erzähle ich das? Tja, Alexandra Flint hat mir beim Lesen das Gefühl gegeben, selbst dort zu sein, so richtig. Man hatte von Anfang an den Eindruck, die Orte zu kennen. Die Strände, Oma Eddas Leuchtturm, das Bernsteinglühen, den Hafen von Munkmarsch, die Menschen, die Gemeinschaft derer, die genau das leben. Um ehrlich zu sein kannte ich selbst die Insel (im realen Leben😉) bis vor kurzem eher wenig, aber auf meinen beiden letzten Ausflügen konnte ich nachvollziehen, was in den Büchern beschrieben und verarbeitet ist. Dieser Insel-Zauber, der die Mädchen verbindet und den sie weitertragen …

Kein Horizont zu weit
Leni kennt Raffael seit ihrer Kindheit. Doch vor fünf Jahren ist er spurlos von der Insel verschwunden, nachdem er bei einem verheerenden Brand seinen Vater und Bruder verlor. Nun, da das Familienhotel neu aufgebaut werden soll, ist er plötzlich wieder auf der Insel, um den Prozess zu überwachen. Leni beschließt, das Ganze erst einmal aus der Ferne zu beobachten, allerdings hat sie nicht damit gerechnet, dass sie und ihr Vater mit ihrer Werft direkt am Wiederaufbau beteiligt sein würden. Eine gute Chance, um mit Raffael ins Gespräch zu kommen – doch der scheint weder mit Leni noch mit der Insel etwas zu tun haben zu wollen. Ihn zieht es zurück …

Kein Sturm zu nah
Elisa lebt bei ihrem Vater in Australien und scheint dort das perfekte Leben zu haben. Doch dann fliegt sie nach einem Skandal aus dem Schwimmteam der Uni und es ist fragwürdig, ob sie ihr Medizinstudium wird fortsetzen können. Hals über Kopf kehrt sie in ihre Heimat Sylt zurück, wo sie in erster Linie die Geborgenheit der Freundinnen sucht. Nicht rechnen tut sie damit, dass ihr ausgerechnet der Profikiter Jonah Falk als erstes über den Weg läuft. Er lebt für das Kiten, stürzt sich in jeden noch so schlimmen Sturm – und vergisst, dass es auch Grenzen gibt. Sein Ruf ist nicht der beste, doch steckt hinter diesem irren Kiten eventuell noch mehr?

Kein Ozean zu tief
Für Lou steht fest, wie ihr Leben aussieht: Sie studiert das Ingenieurswesen und wird irgendwann in die Firma ihrer Eltern einsteigen. Doch nach einer zum wiederholten Mal vermasselten Prüfung beschließt sie zum Leidwesen ihrer Eltern kurzerhand dem perfekten Plan den Rücken zu kehren und ihrer Schwester nach Sylt zu folgen. Ist das vielleicht ihre Chance, ihrem Hobby, dem Travelblogging, eine Chance zu geben, mehr zu werden? Aber wie lebt man vom Reisen und Bloggen? Ist das nicht zu schön, um wahr zu sein?
Kein anderer als der bekannte und erfolgreiche Travelblogger Kai Hansen wurde diesbezüglich gerade auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Er ist Extremfotograf – und es ist etwas schief gegangen. Nun braucht er definitiv ein Image-Make-Over und bietet ausgerechnet Lou eine Kooperation an.
Die beiden, die bezüglich des Reisens unterschiedlicher nicht sein könnten, beschließen, gemeinsam loszuziehen. Doch was haben sie außer ihren Klamotten noch im Gepäck? Wird Kai Lou jemals zeigen, was er noch so mit sich rumschleppt, was ihn nachts nicht schlafen lässt?

Liebe Alexandra, zu hast mich inspiriert. Inspiriert dazu, mutig zu sein, etwas zu riskieren und Chancen zu nutzen. Und dazu, nach Sylt zu fahren. Die kleinen Dinge zu genießen, von Freundschaften zu zehren und nach vorne zu schauen. Füreinander da zu sein, zu lachen und das Leben nicht immer ganz so ernst und dramatisch zu nehmen. Die „Tales of Sylt“ haben mich raus aus der Uni, hinein in eine Welt voller offener Türen geführt.
Aber gleichzeitig gefällt mir noch etwas anderes so unglaublich gut. Ich habe das Gefühl, du kennst die Insel wirklich. Und damit meine ich vor allem, du kennst die Menschen. Denn Sylt ist für viele eine Insel voller Klischees, aber du hast in deinen Büchern Themen verarbeitet, die die Menschen dort beschäftigt, die wir manchmal gar nicht so sehen. Was kommt nach dem Schulabschluss – muss ich von der Insel gehen? Was passiert mit den Leuten, die ich so gut kenne, kann ich irgendwann dorthin zurückkehren? Was heißt eigentlich „Zuhause“? Aber auch diese ganz besondere Art von Gemeinschaft. Meine Freundin hat mir neulich gesagt: „Sylt ist ein Dorf.“ Und irgendwo hat sie recht und genau das hast du wunderbar und leicht transportiert.

Also kommt alle mit auf eine Reise nach Sylt (in mehrerlei Hinsicht 😉)!

Lena

Wart ihr schonmal auf der Insel? Wie habt ihr die Gemeinschaft wahrgenommen? Und seid ihr vielleicht schonmal an dem ein oder anderen Ort gewesen?

Was wir zu hoffen wagten (Michaela Saalfeld; Juli 2018; Lübbe-Verlag)

Was wir zu hoffen wagten (Michaela Saalfeld; Juli 2018; Lübbe-Verlag)

„Das war’s. Es ist mein Leben und ich will damit anfangen, was gut für mich ist.“

Berlin, 1912: Felice, Willi und Ille, drei Geschwister, die zwei Jahre vor dem Ausbruch des großen Krieges in ihrem ihnen von der Gesellschaft aufgezwungenen Leben gänzlich unzufrieden sind. Felice, eine außergewöhnlich begabte Jurastudentin, wird nicht zum Vorbereitungsdienst und damit auch nocht zum zweiten Staatsexamen zugelassen, nur weil sie eine Frau ist. Somit bleibt der nach Gerechtigkeit strebenden jungen Frau auch verwehrt, Rechtsanwältin zu werden. Willi, sowohl von der Welt des Films als auch von der jüdischen Schauspielerin Recha Süßapfel fasziniert, soll unbedingt das eigentlich nicht mehr zu rettende väterliche Bankgeschäft übernehmen. Und Ille, die jüngste der drei, wünscht sich nichts mehr, als von ihrer Familie und vor allem von ihrer großen Schwester geliebt zu werden. Doch statt in ihrer geborgenen Traumwelt zu leben, ist die in einer Ehe mir einem brutalen Mann gefangen und dringt mit ihren Worten nicht zu ihrer Schwester durch …

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges werden die Leben aller drei Geschwister gewaltig auf den Kopf gestellt, ihr Blick aufeinander verändert sich und Familie bekommt eine ganz neue Bedeutung. Könnte die junge Republik eventuell ihre Chance auf ein neues Leben sein?

Mit hat der Roman unglaublich gut gefallen! Michaela Saalfeld setzt den Fokus nacheinander auf die verschiedenen gesellschaftlichen Probleme, denen sich die Geschwister zu stellen haben. Dadurch ist es zwar nicht möglich, immer alle im Blick zu behalten, da gerade während des Krieges nur die Front oder das Leben in der Heimat sinnvoll und ausführlich thematisiert werden kann, jedoch wird dies ausgeglichen durchhervorragende Recherche und ein exzellent vermitteltes Fachwissen. Die Historikerin und Autorin sagt selbst, dass sie sich mit diesem Roman ihren größten Wunsch erfüllt habe, eine Geschichte über die Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit, über die neunen Medien Fotografie und Film, über die Filmzensur und über mutige Menschen zu schreiben. Ihre Geschichte ist angelehnt an viele einzelne Schicksale, die sie sehr gefühlvoll und faszinierend, wie auch bedrückend zusammengeführt hat. Besonders berührt hat mich Illes Verzweiflung und ihre bedingungslose Liebe zu ihrer Schwester, sowie Willis Liebe zu seinen beiden Schwestern und die Entwicklung, die er zwangsläufig durchmachen muss … Außerdem ziehe ich meinen Hut vor Felices Mut und Kraft, für Gerechtigkeit einzustehen, von ihr könnte sich damals wie heute so manch einer eine Scheibe anschneiden.

Der Roman hat mich sofort angeregt, die Sammlung der Artikel der „Wipers Times“, der Schützengrabenzeitung der Engländer in Ypern, sowie den folgenden Teil dieser Geschichte zu lesen … ich bin gespannt!

Lena

Was glaubt ihr, wie geht es mit den Geschwistern weiter? Können sie sich ihre Träume erfüllen?

Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln (Adriana Popescu; 2020 – cbt)

Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln (Adriana Popescu; 2020 – cbt)

Samuel – der Neue, der nichts lieber möchte, als sein altes Leben hinter sich zu lassen und doch daran festhält. Theo – der so gerne wieder wie früher wäre und sich seinen Ängsten doch nicht stellen kann. Marie – die immer für alle da und doch allein ist.

An seinem ersten Schultag an der neuen Schule begegnet Samuel direkt den beiden Geschwistern Marie und Theo. Allerdings weiß er zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass die beiden miteinander verwandt sind. Zuerst leiht er sich einen Kuli von Marie, weil er seine Stifte vergessen hat, und hilft später Theo aus der Patsche, der mal wieder von Andi Schneider und seinen Kumpels gemobbt wird. Als Samuel Theo gerade dabei helfen will, dessen Sachen aufzuheben, kommt Marie hinzu und nimmt Theo direkt in Schutz. Dabei hat Samuel doch ausnahmsweise mal nichts falsch gemacht. Als sich die Situation aufklärt, ist Marie sehr froh, denn sie hatte Samuel von Anfang an sympathisch gefunden und wäre enttäuscht gewesen, wenn er ihr das Gegenteil bewiesen hätte.

Nach ein paar weiteren Vorfällen, in denen Samuel Theo hilft, erkennt Marie, was für ein Gewinn Samuel ist und ist dankbar, eine weitere Stütze für ihren Bruder zu haben. Samuel tut sein Bestes, um Theo zu helfen. Doch warum alle Theo wie ein rohes Ei behandeln, weiß er noch nicht. Dafür erfährt ausgerechnet Theo durch Zufall etwas über Samuels Vergangenheit …

Freundschaft, Liebe und Geschwisterliebe bringen die drei zusammen und doch sind sie sich manchmal im Weg, stoßen sich ab. 

Der Roman hat mich sehr begeistert! Adriana Popescu schafft es, viele verschiedenen Themen, wie Ängste, Gewalt, Mobbing, aber auch Freundschaft, Liebe und Geschwisterliebe zu vereinen und eindrucksvoll zu schildern. Ich habe die Inhaltangabe bewusst kurzgehalten, weil man am Anfang als Leser kaum etwas weiß und viele Vorgeschichten erst im Laufe der Zeit aufgeklärt werden. Gerade deshalb hat mich das Buch aber auch so gefesselt – ich wollte halt immer wissen, wie es weitergeht und was passiert ist. Besonders toll fand ich, dass der Roman abwechselnd aus Maries, Samuels und Theos Perspektive geschrieben ist, sodass man alle drei von innen und außen kennenlernt und ihr Handeln besser versteht. Der Roman hat mir vor allem gezeigt, dass man sich gegen Mobbing wehren muss aber auch, dass Menschen sich ändern können. Bisher habe ich nicht so viele Bücher gelesen, in denen es um Mobbing und andere Formen von Gewalt ging, aber war von diesem sehr begeistert und kann es auch allen empfehlen!

Majlis

Wie hättet ihr an Maries Stelle gehandelt, als sie Samuels Vergangenheit herausgefunden habt? Konntet ihr nachvollziehen, dass es Samuel immer noch zu „den Jungs“ gezogen hat? Schreibt es in die Kommentare! : )