Die Charité (Ulrike Schweikert, 2018 / 19; Rowohlt-Verlag)

Die Charité (Ulrike Schweikert, 2018 / 19; Rowohlt-Verlag)

„Nur wer sich bewegt, spürt seine Fesseln.“ (Rosa Luxemburg)

Hoffnung und Schicksal

In Berlin fürchtet man sich 1831 sehr vor der Cholera. Der erste offizielle Fall wird auf einem Spreekahn identifiziert, wo ein Schiffer einen grausamen Tods erlebt. Die Ärzte in der Charité, unter ihnen ist auch ein Arzt namens Dieffenbach, haben alle Hände voll zu tun und suchen verzweifelt nach einem Heilmittel. Doch nicht nur die Männer kämpfen in diesen dunklen Zeiten, auch die Frauen haben ihre ganz eigenen Kämpfe auszufechten. So such die in einer Ehe gefangenen Gräfin Ludovica in den Gesprächen mit Doktor Dieffenbach Trost, die Hebamme Martha tut alles, um ihrem Sohn die bestmöglichste Zukunft zu bescheren und die junge Pflegerin Elisabeth verliebt sich nicht nur in der für sie nahezu unerreichbare Medizin, sondern verbotenerweise auch in einen jungen Arzt …

Aufbruch und Entscheidung

Im Jahr 1903 schafft es Rahel Hirsch, die erste Ärztin an der Charité zu werden. Sie ist eine leidenschaftliche und geschätzte Forscherin, wird von ihren männlichen Kollegen aber weitgehend nicht akzeptiert. So wie Rahel jeden Tag zu spüren bekommt, dass der Kampf um die Gleichberechtigung noch lange nicht ausgefochten ist, merkt auch Barbara, eine Wäscherin der Charité, dass Männer die Frauen weiterhin als ihren Besitz betrachten. Obwohl die beiden Frauen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten kommen, bildet sich eine Freundschaft, in der jeder seinen eigenen Kampf ficht: Rahel setzt sich in der Charité durch und versucht in ihrem zielstrebigen Alltag auch noch Platz für ihre Liebe zu einem jungen Fliegerpionier zu finden, und Barbara kämpf für die Rechte der Arbeiterinnen und das Frauenwahlrecht. Aber dann bricht der erste Weltkrieg aus und nicht nur das Leben der beiden Frauen wird grundlegend verändert …

Die beiden Romane erzählen vor allem von der Geschichte des wohl berühmtesten Krankenhauses in Deutschland. Die Erfolge und Tiefschläge werden eindrücklich beschrieben und die medizinischen Vorgänge werden einleuchtend, aber nicht zu kompliziert in die Geschichte eingebunden. Aber neben der Charité werden auch die Kämpfe der Frauen behandelt, zunächst, wie sie um die einfachsten Rechte wie die Arbeit kämpften und dann auch um das Wahlrecht und das Recht, in der Arbeit aufzusteigen. Im zweiten Roman wird außerdem sehr berührend geschildert, wie der Erste Weltkrieg Deutschland überrollte. Und wo es auf der einen Seite Kriegsbegeisterung gab, gab es auf der anderen Seite die bangenden und arbeitenden Frauen in der Heimat.

Ich habe beide Romane geliebt und verschlungen! Die Medizin interessiert mich sehr und obwohl ich es abschreckend fand, wie man im 19. Jahrhundert operiert hat, war ich begeistert von den Entdeckungen, die dann gemacht wurden. Toll fand ich, dass die Autorin viele reale Personen eingebracht hat. So fand man Paul Ehrlich und Robert Koch, aber auch die Protagonisten der Bücher, Rahel und Professor Dieffenbach gab es wirklich. Des Weiteren ist es Ulrike Schweikert bestens gelungen, den Kampf der Frauen in ihren Roman einzubinden.

Ich kann diesen Roman bedingungslos allen Lesern empfehlen, die ein bisschen wissenschaftlich und geschichtlich interessiert sind, wobei diese Bücher aber leicht zu lesen sind!

Lena

Welcher Roman hat euch mehr ergriffen? Und glaubt ihr, ihr hättet immer den Mut und die Kraft gehabt, so zu kämpfen, wie Martha, Elizabeth, Rahel und Barbara es getan haben? 😊

Spinster Girls: Was ist schon normal? (Holly Bourne; 2018 – dtv)

Spinster Girls: Was ist schon normal? (Holly Bourne; 2018 – dtv)

Normal sein, das ist alles, was Evie sich wünscht. Doch sie ist nicht normal. Denn jeden Tag aufs Neue kämpft sie gegen ihre Zwangsstörung an.

Für Evie muss immer alles sauber sein. Sie hat panische Angst vor Bakterien. Als sie jünger war, gab es sogar eine Phase, in der sie eine Essstörung entwickelte, da sie das Gefühl hatte, das Essen sei nicht sauber. Zum Glück geht es ihr inzwischen besser und die Medikamente, die ihr geholfen haben, werden Stück für Stück abgesetzt. Doch trotzdem ist es für sie ein großer Schritt, als sie sich schließlich auf ihr erstes Date einlässt. Leider kreuzt ihr Begleiter schon betrunken auf und schleppt sie dann auch noch mit auf eine Party. Der ganze Abend ist für Evie ein Desaster, doch dann trifft sie auf Lottie und Amber. Die Drei verstehen sich auf Anhieb gut und gründen kurze Zeit später einen Club: die Spinster Girls. Bei ihren vielen Gesprächen geht es natürlich um Jungs, aber viel mehr um Feminismus und die Ungerechtigkeiten Frauen gegenüber.

Mit ihren neuen Freundinnen fühlt Evie sich gut und unbeschwert, doch sie schafft es nicht, mit den beiden über ihre Krankheit zu sprechen. Neben ihrer Zwangsstörung ist es ihre größte Angst, nicht dazu zu gehören, der Freak zu sein. Niemand soll von ihrer Krankheit erfahren, auch nicht Lottie und Amber. Obwohl sie weiß, dass es besser wäre, den beiden gegenüber ehrlich zu sein, traut sie sich nicht, darüber zu sprechen, aus Angst vor deren Reaktion. 

Evie möchte für die beiden einfach so normal bleiben, wie diese sie kennengelernt haben.  Doch stellt sie sich immer häufiger die Frage: Was genau ist denn „normal“?

Holly Bourne spricht mit ihrer Spinster Girls – Trilogie zwei sehr wichtige Themen an. Vor allem über Zwangsstörungen habe ich mir vorher keine Gedanken gemacht und wusste kaum etwas darüber. Dadurch, dass das Buch aus Evies Perspektive geschrieben ist, werden ihre Gedanken und Ängste sehr eindrücklich und nachvollziehbar dargestellt. Zudem hat Holly Bourne einen tollen Schreibstil, der einen zum Weiterlesen anregt.

Über das zweite Thema, Frauenrechte, habe ich zwar schon häufiger nachgedacht, es aber nicht als aktuelles Problem betrachtet, weil ich davon ausging, dass die Gleichberechtigung hier in Deutschland ja ziemlich fortgeschritten ist. Doch in ihrem Club reden die Drei auch viel über permanente Probleme, die mir bisher gar nicht so bewusst geworden sind. Vor allem im zweiten Teil, der aus Lotties Perspektive geschrieben ist, geht es um die Ungerechtigkeiten im ganz normalen Alltag. 

Die Buchreihe fordert heraus und bringt einem wichtige Themen nah, ohne belehrend zu sein. Gleichzeitig sind die Bücher auch einfach spannend und toll zu lesen!

Majlis

Konntet ihr euch auch so gut in Evie hineinversetzten? Welche der Drei fandet ihr am sympathischsten? Schreibt es in die Kommentare! : )