Wenn du dich traust (Kira Gembri, Juni 2015, Arena-Verlag)

Wenn du dich traust (Kira Gembri, Juni 2015, Arena-Verlag)

„Wem mache ich hier eigentlich was vor – es waren exakt dreizehn Mal.“ (Lea in „Wenn du dich traust“)

Bei Lea hat alles eine exakte Zahl. Ihre Schritte zwischen ihrem Bett und dem Bad, die Erbsen und Kartoffeln auf ihrem Teller, die Bilder an der Wand, die Steckdosen in der Wohnung und die Blätter des Gummibaums. Sie leidet unter einem zwanghaften Ordnungsdrang und in ihrem Alltag begleiten sie immer Stift und Notizbuch, wo sie alles, und wirklich alles, notieren kann. Das komplette Gegenteil ist Jay, der das Chaos lebt, auf jeder Party der Größte ist und von festen Beziehungen rein gar nichts hält. Unvorstellbar, dass diese beiden so grundverschiedenen Menschen auch nur irgendwie miteinander auskommen können, ohne dass es kracht. Allerdings hat Jay ein Problem – und Lea hat ein Problem. Und die scheinbar einzige Lösung ist eine WG … 3 Jungs der unordentlichsten Sorte, und Lea mittendrin.

Die Geschichte der beiden wird im Wechsel aus Leas und aus Jays Perspektive erzählt. Dadurch bekommt man zunächst einmal einen Einblick in Leas Leben, in dem sie zutiefst unglücklich ist, zum einen, weil sie mit ihren Zwängen leben muss und zum anderen, weil ihre Familie sie keineswegs versteht. Und dann lernt man aber auch Jay kennen, der seine Sozialstunden in der Psychiatrie ableisten muss und feststeckt zwischen den Fehlern seines Vaters und dem Leben, das er selbst gerne führen würde …

Ich fand das Buch sehr spannend und beeindruckend zu lesen, denn gerade Lea hat mir sehr viel gezeigt. Durch sie habe ich verstanden, dass die Sätze „Ah ja, das kenne ich auch“ Oder „Oh ja, ich verstehe was du meinst“ zwar tröstend gemeint sein können, aber in manchen Fällen das genaue Gegenteil anrichten und eine Situation für die betroffene Person nur noch schlimmer machen. Denn zwanghaftes Verhalten kann man nicht nachvollziehen, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Aber auch Jay hat mich etwas gelehrt. Er ist ein Junge, der die Bürde seines Vaters mit sich herumträgt und trotz eigener Geldsorgen und einer Existenznotlage monatlich Geld an seine Mutter schickt. Er ist ein Junge, der ihm verhasste Sozialstunden ableistet und im Nachhinein trotzdem noch versucht, die Schuld seines Vaters zu begleichen. Und er ist ein Junge, der ein Auge für’s Detail hat. Sei es nun beim Fotografieren oder im Umgang mit Menschen, die ihm wichtig sind.

Ich kann wirklich nur sagen: Ein toller Roman! Ich habe ihn durchgerattert und wollte gar nicht mehr aufhören zu lesen. Zudem ist er zwischendurch echt lustig, Kira Gembri schreibt auch hier wieder mit viel Humor. Ich kann euch diesen Roman also allen nur empfehlen, eine sehr leichte, aber unterhaltsame und gleichzeitig tiefgehende Lektüre!

Lena

Kennt ihr Menschen, die ein zwanghaftes Verhalten an den Tag legen? Und wie geht ihr damit um?

Weitere Bücher von Kira Gembri: Wovon du träumst (Kira Gembri; 2017 – Arena-Verlag)

Der Stammbaum unserer Familie / Wie ich aufwachse (Monika Kopřivová, 2021, Familium)

Der Stammbaum unserer Familie / Wie ich aufwachse (Monika Kopřivová, 2021, Familium)

„Familie ist wie Zweige an einem Baum, sie wachsen alle in unterschiedliche Richtungen, aber ihre Wurzeln bleiben dieselben.“

Dieses Zitat beschreibt das Prinzip eines Stammbaums ganz gut, denn irgendwo findet alles irgendwann wieder zusammen. Aber wir kennen es bestimmt auch alle, dass sich Geschwister, Kinder, Enkelkinder, Nichten und Neffen und wen es sonst noch alles gibt, irgendwann von der Familie absetzten, eine eigene Familie gründen und wegziehen. Die meisten von uns werden dann ein lachendes und ein weinendes Auge haben, denn so schade es auch ist, dass man sich nun nicht mehr jeden Tag sehen kann, so schön ist es doch auch zu sehen, wie die Familie wächst und sich entwickelt.

Gleichzeitig hat man als heranwachsende Person häufig das Problem, dass einem die Zeit, vor allem mit den Großeltern wegläuft. Und wenn es dann irgendwann zu spät ist, dann hätte man gerne so viel mehr gefragt, mehr über sie selbst, ihr Leben und ihre Vergangenheit erfahren. Doch wie spricht man so etwas an? Nun, es gibt zwei tolle Bücher, die uns die Möglichkeit geben, unser Leben und das unser Liebsten gemeinsam zu dokumentieren und darüber in den Austausch zu kommen.

„Wie ich aufwachse“ beginnt vor dem ersten Lebensjahr und endet mit dem 18. Geburtstag und den Eltern und Kindern ist es gemeinsam möglich, die größten Meilensteine im Leben der Kinder festzuhalten.

„Der Stammbaum unserer Familie“ ist ideal zum Herumgeben, denn jedem Familienmitglied gehört eine Seite, auf der man sich vorstellt. Und am Ende hat man die Großfamilie immer bei sich, ganz egal wo man sich gerade befindet.

Ich habe ein paar Seiten aus den Büchern fotografiert und zeige sie euch hier, damit ihr einen Eindruck von der liebevollen Gestaltung bekommt! Und dann kann ich echt allen Eltern empfehlen, sich das mal anzuschauen, denn für die Kinder und für die ganze Familie könnten diese Bücher ein Schatz für das Leben sein, der sie immer an ihre Wurzeln erinnert …

Lena

Meine Mama und mein Papa – wo komme ich eigentlich her? Wer sind meine Eltern?

Puh, ganz schön viele Personen, die es erst einmal zu ordnen gilt …

Großeltern, Urgroßeltern und alle anderen kommen auch noch … Und: Was hätten einige von ihnen mir vielleicht gerne noch gesagt? Manchmal kommt man in Gesprächen nicht direkt drauf, aber hinterher wünscht man sich dann, man hätte eine bestimmte Sache gesagt – das geht nicht nur uns so, sondern unsere Großeltern kennen das auch …! Gebt ihnen die Chance, das in Ruhe aufzuschreiben!