Café Hanoi (Fernando Boner; 2021 – Verlag am Rande)

Café Hanoi (Fernando Boner; 2021 – Verlag am Rande)

„Raus in die große weite Welt!“ – diesem Satz kann man sehr unterschiedlich begegnen. Mit Vorfreude, mit Angst oder vielleicht mit beidem zugleich?

Die junge Schweizerin Amy lebt schon ihr ganzes Leben lang in der Kleinstadt Salenz. Einerseits fühlt sie sich dort inzwischen eingeengt und möchte aus dem Schema der immer gleichen Tage mit den immer gleichen Menschen an den immer gleichen Orten ausbrechen. Andererseits hat sie keine Idee, wie sie das tun soll, und traut sich auch nicht so richtig, die vertraute Heimat hinter sich zu lassen. Bis sie auf Jasmyn trifft. 

Jasmyn lebt eigentlich als erfolgreiche Modedesignerin in Vietnam, hat aber kürzlich herausgefunden, dass sie eigentlich aus Salenz stammt. Als sie in die Schweiz reist, um ihre Vergangenheit besser kennenzulernen, erfährt sie von Amys Zwiespalt und lädt sie kurzerhand ein, für einen Monat als ihre Assistentin mit nach Hanoi in Vietnam zu kommen.

Vietnam ist für Amy eine ganz neue Erfahrung. Sie lernt nicht nur das Leben außerhalb ihrer Heimat zu schätzen, sondern entdeckt auch eine ganz neue Seiten und verborgene Talente an sich selbst. Vietnam möchte sie nicht wieder verlassen, und so verlängert sie ihren Aufenthalt. Doch dann geschehen mehrere Dinge, die ihr neues Leben ins Wanken bringen und nicht nur Amys Gesundheit, sondern auch ihre Freundschaft zu Jasmyn gefährden.

Das Konzept des Romans hat mir sehr gut gefallen. Fernando Boner erzählt eine sehr motivierende und inspirierende Geschichte. Allerdings bin ich mit dem Schreibstil nicht ganz warm geworden, da am Anfang zwar Amy selbst erzählt, aber sobald sie nach Vietnam kommen und es interessant wird, erzählen Jasmyn und ein paar andere. Amys Perspektive kommt nur noch indirekt vor. Zwar erfährt man immer noch von ihren Gedanken und Gefühlen, aber nur weitererzählt von ihrer Freundin. Zudem hat mich das Ende etwas verwirrt, da das Buch mitten in der Handlung abbricht. Toll fand ich, dass die Geschichte in Hanoi von Tag zu Tag erzählt wird und damit gut Amys anfangs unbeschwertes Leben dort verdeutlicht, aber auch die schrittweise Entwicklung ihrer Probleme und Verwicklungen spürbar wird.

Majlis

Hättet ihr Jasmyn begleitet? Hattet ihr auch schon einmal das Gefühl, euer Leben verändern zu müssen?

Die Charité (Ulrike Schweikert, 2018 / 19; Rowohlt-Verlag)

Die Charité (Ulrike Schweikert, 2018 / 19; Rowohlt-Verlag)

„Nur wer sich bewegt, spürt seine Fesseln.“ (Rosa Luxemburg)

Hoffnung und Schicksal

In Berlin fürchtet man sich 1831 sehr vor der Cholera. Der erste offizielle Fall wird auf einem Spreekahn identifiziert, wo ein Schiffer einen grausamen Tods erlebt. Die Ärzte in der Charité, unter ihnen ist auch ein Arzt namens Dieffenbach, haben alle Hände voll zu tun und suchen verzweifelt nach einem Heilmittel. Doch nicht nur die Männer kämpfen in diesen dunklen Zeiten, auch die Frauen haben ihre ganz eigenen Kämpfe auszufechten. So such die in einer Ehe gefangenen Gräfin Ludovica in den Gesprächen mit Doktor Dieffenbach Trost, die Hebamme Martha tut alles, um ihrem Sohn die bestmöglichste Zukunft zu bescheren und die junge Pflegerin Elisabeth verliebt sich nicht nur in der für sie nahezu unerreichbare Medizin, sondern verbotenerweise auch in einen jungen Arzt …

Aufbruch und Entscheidung

Im Jahr 1903 schafft es Rahel Hirsch, die erste Ärztin an der Charité zu werden. Sie ist eine leidenschaftliche und geschätzte Forscherin, wird von ihren männlichen Kollegen aber weitgehend nicht akzeptiert. So wie Rahel jeden Tag zu spüren bekommt, dass der Kampf um die Gleichberechtigung noch lange nicht ausgefochten ist, merkt auch Barbara, eine Wäscherin der Charité, dass Männer die Frauen weiterhin als ihren Besitz betrachten. Obwohl die beiden Frauen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten kommen, bildet sich eine Freundschaft, in der jeder seinen eigenen Kampf ficht: Rahel setzt sich in der Charité durch und versucht in ihrem zielstrebigen Alltag auch noch Platz für ihre Liebe zu einem jungen Fliegerpionier zu finden, und Barbara kämpf für die Rechte der Arbeiterinnen und das Frauenwahlrecht. Aber dann bricht der erste Weltkrieg aus und nicht nur das Leben der beiden Frauen wird grundlegend verändert …

Die beiden Romane erzählen vor allem von der Geschichte des wohl berühmtesten Krankenhauses in Deutschland. Die Erfolge und Tiefschläge werden eindrücklich beschrieben und die medizinischen Vorgänge werden einleuchtend, aber nicht zu kompliziert in die Geschichte eingebunden. Aber neben der Charité werden auch die Kämpfe der Frauen behandelt, zunächst, wie sie um die einfachsten Rechte wie die Arbeit kämpften und dann auch um das Wahlrecht und das Recht, in der Arbeit aufzusteigen. Im zweiten Roman wird außerdem sehr berührend geschildert, wie der Erste Weltkrieg Deutschland überrollte. Und wo es auf der einen Seite Kriegsbegeisterung gab, gab es auf der anderen Seite die bangenden und arbeitenden Frauen in der Heimat.

Ich habe beide Romane geliebt und verschlungen! Die Medizin interessiert mich sehr und obwohl ich es abschreckend fand, wie man im 19. Jahrhundert operiert hat, war ich begeistert von den Entdeckungen, die dann gemacht wurden. Toll fand ich, dass die Autorin viele reale Personen eingebracht hat. So fand man Paul Ehrlich und Robert Koch, aber auch die Protagonisten der Bücher, Rahel und Professor Dieffenbach gab es wirklich. Des Weiteren ist es Ulrike Schweikert bestens gelungen, den Kampf der Frauen in ihren Roman einzubinden.

Ich kann diesen Roman bedingungslos allen Lesern empfehlen, die ein bisschen wissenschaftlich und geschichtlich interessiert sind, wobei diese Bücher aber leicht zu lesen sind!

Lena

Welcher Roman hat euch mehr ergriffen? Und glaubt ihr, ihr hättet immer den Mut und die Kraft gehabt, so zu kämpfen, wie Martha, Elizabeth, Rahel und Barbara es getan haben? 😊