Abenteuer Ocean Race (Boris Herrmann, Andreas Wolfers, C.Bertelsmann, 2023)

Abenteuer Ocean Race (Boris Herrmann, Andreas Wolfers, C.Bertelsmann, 2023)

“Wir gaben alles füreinander, nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Leidenschaft.“

„Mit meinem Team beim Rennen um die Welt“. So lautet der Untertitel des Buches, das auch mich einmal um die Welt getragen hat.
Boris Herrmann ist wohl der bekannteste deutsche Segler, der 2020 bei der Vendée Globe, einer Einhand-Regatta ohne Zwischenstopp, mit seiner Imoca-Yacht, der Malizia, die Welt umrundete. Drei Jahre später läuft er zu einer erneuten Weltumsegelung aus, diesmal hat er jedoch ein Team dabei. Das Ocean Race gilt als der härteste Teamwettbewerb der Sportwelt und birgt ganz andere Herausforderungen als herkömmliche Regatten. Ist es möglich, mehrere Monate mit einer Frau und vier Männern auf engstem Raum zu leben? Kann man als Team durch das Eismeer segeln, nur mit dem allernötigsten Schlaf und ohne richtiges Essen, ohne sich gegenseitig in die Haare zu bekommen? Was macht man, wenn die Satelliten im Weltraum näher an einem dran sind, als irgendein Stück Land und sich eine Person verletzt?

Boris Hermann erzählt in seinem Buch von dieser Reise. Von den Höhen und Tiefen, von Dramen, großen Unglücken, riesigen Erfolgen, harter Arbeit, Glücksgefühlen und der Kraft, die sie einander gaben und die sie einmal um die Welt getragen hat.

Für mich als Hobby-Seglerin war es unfassbar spannend zu verfolgen, wie anders auf der einen Seite das Segeln in den Weltmeeren ist und dann doch wieder mehr Kleinigkeiten als ich dachte wiedererkennen zu können. Es war spannend, die taktischen Gedanken zu lesen und nachzuvollziehen, warum die Crew sich für eine bestimmte Route entschieden hat. Und dann mitzufiebern – geht der Plan auf? Sind sie schneller als die anderen? Zudem basiert ein großer Teil der Dokumentation auf persönlichen Berichten der Segler. Sie haben beschrieben, wie es ihnen in bestimmten Situationen ging, was sie beschäftigt, wie sie mit gegebenen Umständen umgehen. Fünf ganz verschiedene Persönlichkeiten, die, wie sie selbst immer wieder betonen, perfekt harmonieren und sich nicht besser ergänzen könnten.

Aber auch als nicht-Segler ist es spannend, die Reise zu verfolgen. Denn es geht um Kameradschaft innerhalb einer Crew, aber auch um die Freundschaft und Erleichterung, wenn man nach Wochen im Eismeer einen Konkurrenten am Horizont sieht. Smalltalk über Funk konnte manchmal eine große Erleichterung sein. Zudem war für mich total neu, was für logistische Prozesse an Land hinter dem Rennen stecken. Die Segler betonten häufig, dass 50% der Regatta an Land entschieden wird. Dieser Teil der Reise ist genauso spannend zu verfolgen, wie der Teil auf dem Wasser.

Mich hat es jedenfalls gepackt und ich kann mir vorstellen, einige von euch auch. Es liest ich total gut und ich freue mich schon auf die Vendée Globe 2024, wo Boris Herrmann erneut an den Start gehen wird, ich habe großen Respekt!

Lena

Segelst du? Hast du das Ocean Race oder die Vendée Globe verfolgt?

The Daughter of the Pirate King (Tricia Levenseller; 2017 – Square Fish)

The Daughter of the Pirate King (Tricia Levenseller; 2017 – Square Fish)

Fantasy-Romane sind toll, um andere Welten zu entdecken und in Geschichten einzutauchen, die ganz anders sind als unser Alltag. Trotzdem werden auch in ihnen oft Themen aus unserer Realität aufgegriffen: Umweltschutz, Rassismus oder Feminismus zum Beispiel. Als Kind lernt man schnell, dass Piraten so ein Jungsding sind. Nicht in diesem Roman. Denn auch Frauen können stark und geschickt im Kämpfen und Pläne Schmieden sein. Alle diese Eigenschaften besitzt die 17-jährige Alosa – die Tochter des Piratenkönigs.

Als Alosa entführt wird, ist der Triumph der Feinde groß. Mit der Tochter des Piratenkönigs Kalligan höchstpersönlich werden sie nicht nur an viel Lösegeld kommen, sondern vielleicht auch endlich die geheimen Quartiere Kalligans aufspüren können. Was Draxen und seine Männer, Alosas Entführer, nicht wissen: Alosa hat diese Entführung selbst geplant und in die Wege geleitet. Dies war die einzige Möglichkeit, um an Bord der „Night Farer“, Draxens Schiff, zu kommen. Denn dieses Schiff birgt einen besonderen Schatz.

Einmal an Bord wird Alosa allerdings zunächst in eine Zelle gesteckt, und sie wird von Draxens kleinem Bruder Riden verhört. Dabei stellt sich heraus, dass Riden deutlich mehr Gehirnmasse als sein Bruder besitzt und damit eine größerer Gefahr für Alosa darstellt. Doch Alosa hat so einige Asse im Ärmel. Beispielsweise gelingt es ihr, an den Schlüssel zu ihrer Zelle gelangen. Dadurch kann sie die erste Nacht nutzen, um die „Night Farer“ zu erkunden. Trotz ihrer Vorsicht wird sie dabei erwischt. Ausgerechnet von Riden. Dieser ergreift sofort Gegenmaßnahmen und postiert Wachen vor Alosas Zelle. Allerdings erwähnt er Alosas Ausbruch seinem Bruder gegenüber nicht. Was verheimlicht er?

Glücklicherweise hat Alosa noch einige Tricks parat. Schließlich wurde sie von ihrem Vater höchstpersönlich trainiert und dies ist nicht ihre erste Mission. Mehrere Nächte lang kann sie das Schiff weiterhin erkunden. Doch trotz all ihrer Bemühungen, unentdeckt zu bleiben, kommt ihr Riden immer wieder in die Quere. Hat er etwas gemerkt? Wie kann sie es bloß anstellen, so zu wirken, als wenn sie entkommen wollte, obwohl sie auf dem Schiff bleiben möchte?

Ein toller Fantasy-Roman, um einfach mal in eine andere Welt einzutauchen. Alosa wird als Frau oft unterschätzt und nicht ernst genommen. Trotzdem setzt sie sich durch und kann die Vorurteile manchmal sogar zu ihrem Vorteil nutzen. Diese feministischen Züge an der Geschichte haben mir sehr gut gefallen. Außerdem hat Tricia Levensteller noch weitere Handlungsstränge in die Geschichte mit eingebaut, die mich teilweise überrascht haben. Der Roman ist spannend und man fiebert mit. Zudem gibt es auch eine Liebesgeschichte, die aber passend zu dem Bild einer unabhängigen und eigenständigen Frau klein gehalten wird und nicht kitschig dargestellt ist. Die Geschichte kann man wunderbar in den Ferien lesen.

Majlis 

Wie steht ihr zu Feminismus in Fantasy-Büchern? Findet ihr es wichtig Alltagsthemen in fiktive Romane mit einzubauen, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, oder hättet ihr beim Lesen lieber eine Pause vom Alltag?

The Daughter of the Pirate King ist bisher noch nicht auf deutsch erschienen. 

Man vergisst nicht, wie man schwimmt (Christian Huber; 2022 – dtv)

Man vergisst nicht, wie man schwimmt (Christian Huber; 2022 – dtv)

„Sei einmal cool, Krüger!“ – Victor

Cool sein – das ist etwas, das Krüger sich schon lange wünscht. Doch eigentlich genau so lange hat er akzeptiert, dass er niemals cool sein wird. Krüger heißt eigentlich Pascal und er kann es kaum erwarten, dass der Sommer vorbei ist. Denn seitdem er nicht mehr schwimmen gehen kann, hasst er nichts mehr als den Sommer und die Hitze. Zum Glück ist es der 31. August 1999 und somit für Krüger der letzte Tag des Sommers.

Eigentlich hatte er den Tag im Bett verbringen wollen, doch dann steht sein bester Freund Victor vor der Tür, und die beiden beschließen, den Tag gemeinsam in ihrer verschlafenen Heimatstadt Bodenstein zu verbringen. In einem Elektro-Geschäft, in dem sie ein neues Videospiel ausprobieren, treffen sie auf ein Mädchen, das nicht nur ein neues Nokia-Handy, sondern auch Krügers Rucksack stiehlt. Natürlich müssen sie das Mädchen finden. Krüger, weil in dem Rucksack sein Notizbuch liegt, und Victor, weil er das Nokia mitgehen lassen möchte. Auf der Suche nach ihr treffen die beiden schließlich auf eine Spur, die sie zu einem Wanderzirkus etwas außerhalb der Stadt führt. Dort finden sie schließlich das Mädchen, das sich ihnen als Jacky vorstellt. Jacky scheint eigentlich ganz okay zu sein. Zumindest beeindruckt sie die beiden Jungs sehr mit ihren Messerwurf-Künsten. 

Spontan schmieden die drei einen Plan, um am Abend auf eine Party bei den beliebtesten Mädchen der Stadt zu gelangen. Dabei überschreiten sie auch einige Male die feine Grenze zwischen Mut und Leichtsinn …

Krüger lernt an diesem Tag viele neue Dinge. Zum Beispiel, dass es okay ist, nicht „cool“ zu sein, wie wichtig wahre Freundschaften sind oder dass es nichts Schlimmes ist, sich zu verlieben. Und auch, dass man nicht vergisst, wie man schwimmt.

Der Roman hat mich sehr fasziniert. Die gesamte Geschichte spielt an diesem einen Tag, dem 31. August 1999. Auch wenn das über zwanzig Jahre her ist, sind die jugendlichen Charaktere authentisch. Die vielseitigen Erlebnisse der Drei werden sehr detailliert und durchdacht aus Krügers Perspektive beschrieben. Christian Huber schafft es, einen kompletten Coming-of-age-Roman, der viele Themen, wie Freundschaft, den eigenen Körper, Liebe, aber auch Tod beinhaltet, an einem einzigen Tag spielen zu lassen, ohne dass es langweilig wird. Der Schreibstil sorgt dafür, dass man aus der Geschichte am liebsten gar nicht mehr auftauchen möchte. Der Roman zieht einen aber nicht nur durch seine tolle Erzählweise in den Bann, sondern auch durch Krügers viele Geheimnisse, z.B. warum er nicht mehr schwimmen kann, warum er Krüger genannt wird oder auch warum er sich nicht verlieben darf. Die Antworten darauf werden Stück für Stück immer wieder angedeutet und lassen einen eigene Theorien aufstellen. Krügers Geschichte ist sehr eindrucksvoll und beschäftigt einen auch noch nach dem Beenden des Buches. Der Roman macht gleichzeitig Lust auf Sommer und auf Abenteuer.

Majlis

Kennt ihr das Gefühl, dass manche Tage sich wie eine ganze Woche anfühlen?

Helles Land – Die Erwählte des heiligen Baumes (Mary E. Garner; 2021 – Lübbe)

Helles Land – Die Erwählte des heiligen Baumes (Mary E. Garner; 2021 – Lübbe)

„In goldenem Licht, das auf dem moos- und grasbewachsenen Boden mit grünen Schatten spielte, wuchsen Pflanzen aller Größen und Farben. […] Unsere Welt Helles Land vor etwa tausend Jahren. […] Die Einzigartigkeit einiger erstaunlicher Bäume wurde unseren Vorfahren jedoch erst bewusst, als unsere beiden Sonnen begannen, nicht mehr hinter-, sondern nebeneinander über unserer Welt zu erscheinen. […] Für die Menschen damals bedeutete die zentrierte Kraft der Sonnen die Gefährdung aller Lebensräume. Lichteichen hielten als einzige Wesen unserer Welt dieser neuen Herausforderung stand.“

Das „Helle Land“ ist seitdem ein anderes geworden. Die Menschen wurden gierig und schlugen die Lichteichen, um daraus sichere Häuser zu bauen. Ohne darauf zu achten, dass Lichteichen zwar sehr schnell wachsen, aber nur alle 300 Jahre genau 12 Samen ausbilden. So wurde das „Helle Land“ in drei Teile geteilt. Zunächst gibt es eine Stadt, die „Die Türme“ genannt wird und von einem Dach aus Lichteichenholz überspannt wird, in der eine altertümliche Hierarchie herrscht, die die Gesellschaft in Arm und Reich spaltet. Dann eine riesige Wüste, in der vereinzelt Savannah Dweller leben, und schließlich das „Refugium“. Das „Refugium“ ist ein grüner Fleck im Herzen der Wüste, der durch die einzige verbleibende Lichteiche geschützt und genährt wird. 

Im Refugium haben sich die Menschen in verschiedenen Dörfern organisiert. In einem dieser Dörfer lebt Clay, die Erwählte des heiligen Baumes. Die Bewohner des Refugiums verehren den Baum. Doch allein die Erwählte des heiligen Baumes und ihre Schülerinnen und Schüler kennen den Standort der Lichteiche. Als eine zwölfköpfige Delegation der „Türme“ bei ihrem jährlichen Besuch per Shunterreise, einer Art beamen, im Refugium auftaucht, läuft zunächst alles nach Plan. Doch schon am zweiten Tag verschwinden nicht nur Clays Lebensgefährte und einer der Delegierten, sondern es wird auch Clays Schülerin Camille niedergeschlagen. Es scheint sich um Entführungen zu handeln. Doch zu welchem Zweck? Mit den wenigen Spuren, die sie haben, machen sich Camille und Clay auf den Weg, um die Entführten zu finden. Suchen sie wirklich an der richtigen Stelle?

Mal wieder hat mich ein Roman von Mary E. Garner gefesselt. Den Anfang fand ich sehr verzaubernd. Zwischendrin zog es sich ein kleines bisschen, aber spätestens ab der Hälfte konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Besonders gut gefallen hat mir, dass man als Leser genauso wenig hinter die Pläne und Intrigen kommt, die Clay und Camille aufzudecken versuchen, wie die Protagonistinnen selbst. Man hat zwar viele Theorien, aber die werden immer wieder widerlegt. Auch das Ende fand ich großartig geschrieben, weil es einen ziemlichen Plot Twist gibt. Trotz der erfundenen Welt, geht es in diesem Roman auch um aktuelle Themen wie Naturschutz und gesellschaftliche Unterschiede. Ich kann den Roman nur empfehlen, vor allem wenn man Fantasy Romane und Natur mag.

Majlis

Würdet ihr gerne mal das Leben im Refugium ausprobieren? Wo würdet ihr euch am wohlsten fühlen: in den Türmen, bei den Savannah Dwellern oder im Refugium?

Das Buch der gelöschten Wörter (Mary E. Garner; 2020 – Lübbe)

Das Buch der gelöschten Wörter (Mary E. Garner; 2020 – Lübbe)

Der erste Federstrich – Zwischen den Seiten – Die letzten Zeilen

Hope Turner liebt es in Buchwelten einzutauchen. Doch als sie auf Rufus Walker trifft, verändert sich nicht nur die Bedeutung dieses Satzes, sondern auch ihr ganzes Leben.

„Mrs. Gateway‘s Fine Books“ – so heißt der kleine Buchladen, in den Hope sich, eigentlich auf dem Weg zu ihrer Mutter im Pflegeheim, aufgrund eines plötzlichen Regenschauers flüchtet. Vor zwei Jahren, als sie nach London gezogen ist, war sie schon einmal hier. Doch da in dem Laden eine merkwürdige Atmosphäre und ein unglaublicher Gestank herrschten, hatte sie ihn seitdem nicht mehr betreten. Nun bleibt ihr, trotz desselben komischen Gefühls wie damals, nichts anderes übrig, als den Regen abzuwarten. Aus der Not heraus bestellt sie sogar ein Buch, um nicht unhöflich zu wirken. 

Beim Abholen eine Woche später kommt ihr der Laden gar nicht mehr so unfreundlich vor. Wieso riecht es bloß auf einmal nach frisch gebackenem Kuchen? Als sie dann auch noch ungeplant auf Rufus, einen Mann, den sie online kennengelernt hat, trifft und dieser sie ausgerechnet in diese Buchhandlung bringt, merkt sie endgültig, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.

Von Rufus erfährt sie, dass sie als Trägerin des Namens „Turner“, der ja eigentlich nicht unüblich ist, eine besondere Gabe besitze, die in der Bücherwelt gebraucht werde. In der Bücherwelt? Hope würde am liebsten sofort wieder gehen, entschließt sich aber, Rufus eine Chance zu geben. Zu Recht, denn nachdem dieser ihr aus „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen vorgelesen hat, findet sich Hope tatsächlich in dem fiktiven Anwesen „Pemberley“ wieder. Träumt sie?

Von Jane Austens Roman aus wechselt sie – gemeinsam mit dem unerwartet mürrischen Rufus, der ähnlich wie sie eine Gabe besitzt, und seinen Gehilfen Gwen (Guinevere) und Lanc (Lancelot) aus der Artussage – in die Zentrale über. Die Zentrale ist ein buchneutraler Ort, von dem aus man in jegliche Bücherwelten gelangen kann. Hope kann es nicht fassen. Dies ist das Beste, was sich eine Bücherliebhaberin wie sie vorstellen kann. Doch ihre positive Überraschung wird bald getrübt, als sie den Grund erfährt, aus dem sie „eingeladen“ wurde. Kann es ihr gelingen, gemeinsam mit Gwen, Lanc und Rufus die Bücher- und Echtwelt zu retten? Was hat es mit dem gutaussehenden Kennon auf sich?

Diese Trilogie war definitiv ein Highlight für mich! Mehrere Wochen bin ich in die Geschichte eingetaucht und die Figuren sind mir total ans Herz gewachsen. Mary E. Garner hat einen wunderbaren Schreibstil, der einen – fast wie die Figuren der Geschichte – in diese Bücherwelt eintauchen lässt. Die Bücher bringen deutlich mehr Spannung und Rätsel mit sich, als ich es erwartet hätte und sind sehr fesselnd. Es hat mir gut gefallen, dass man selbst viele Theorien aufstellen konnte und dass die Figuren oft schnell Dinge erkannt haben, die man als Leser schon begriffen hatte. Die einzige Sache, die mich stutzen ließ, war Hopes Alter. Nach ihrem Verhalten hätte ich sie auf Mitte 20 geschätzt. Tatsächlich soll sie 42 Jahre alt sein. Ihr Alter spielt aber keine Rolle und macht sich kaum bemerkbar. Dadurch kann ich die Bücher Jugendlichen wie Erwachsenen empfehlen. Ein Must-Read für alle Bücherwürmer!

Majlis

In welches Buch würdet ihr gerne reisen können? 

Das Wolkenvolk (Kai Meyer; 2006, 2007,2011 – Loewe)

Das Wolkenvolk (Kai Meyer; 2006, 2007,2011 – Loewe)

Seide und Schwert (Band 1)
Lanze und Licht (Band 2)
Drache und Diamant (Band 3)

Ein Junge, der auf den Wolken lebt, ein Mädchen, das im Herzen ein Drache ist und ein falscher Drache, der eigentlich ein Mensch ist. Was könnten diese Drei gemeinsam haben? Ganz einfach: Sie alle suchen einen echten Drachen.

1760 in einer Fantasy-Version Chinas zur Zeit der Chin-Dynastie. 2000 Meter über dem Reich der Mitte schwebt die Wolkeninsel. Mit Hilfe einer geheimnisvollen Substanz, dem Äther, hat sich die riesige Wolke verfestigt und schwebt seit einem Vierteljahrtausend über die ganze Erde. Auf der Wolke lebt das Wolkenvolk. Niemand aus diesem Volk weiß noch, warum die Wolke fliegt und wie der Äther funktioniert Das liegt auch daran, dass das Lesen, Bücher und Bildung auf der gesamten Insel verboten sind. Wer sich dieser Regel widersetzt, wird zum Ausgestoßenen. So geschah es auch dem Jungen Nicolo und seinem inzwischen verstorbenen Vater. Allerdings interessiert sich das Oberhaupt der Insel doch auf einmal wieder für Nicolo, als die Wolkeninsel abstürzt und sich mitten in China zwischen drei Berggipfeln verkeilt. Nicolo ist der Einzige, der die Landessprache beherrscht, und er wird mit dem Auftrag zum Erdboden geschickt, neuen Äther zu finden, der angeblich nichts anderes als Drachenatem sein soll.

Dort trifft er auf Nugua. Nugua ist unter Drachen aufgewachsen. Sie hatte nie Kontakt zu anderen Menschen und sieht sich trotz ihres menschlichen Äußeren als Drachen an. Doch nachdem sie eines Tages aufgewacht ist – alleine und ohne eine Spur der Drachen – muss sie sich zwangsläufig in die Zivilisation begeben. Auch sie sucht die verschollenen Drachen, die so etwas wie ihre Familie sind.

Kurz nachdem die beiden aufeinandertreffen, finden sie einen dritten Weggefährten mit demselben Ziel: Ein Mann namens Feiking in einem Drachenkostüm. Dieses ist ihm angewachsen, seit er ohne Erinnerung an sein früheres Lebens auf dem Drachenfriedhof, einem für Menschen verbotenen Ort, aufgewacht ist. Der Wächterdrache habe ihn verflucht. Auch er möchte also einen Drachen finden, um seine Erinnerung und seine normale Gestalt zurückzubekommen.

Die Sache hat einen Haken: Der einzige Anhaltspunkt der Drei ist der Drachenfriedhof, doch niemand, nicht einmal die Drachen selbst, weiß, wo dieser liegt. Als die Gefährten auf einen der acht Unsterblichen, Li, und die Schwertmeisterin Wisperwind treffen, müssen sie auch noch feststellen, dass ihre Geschichten nur Puzzleteile zu einem deutlich größeren und schwerwiegenderen Problem sind. Zu dessen Lösung haben, wenn überhaupt, nur die Drachen eine Antwort. Doch wie sollen die Gefährten sie bloß finden? Und was hat der Äther damit zu tun?

Dies ist einer meiner liebsten Buchreihen. Ich bin grundsätzlich kein Fan davon, Bücher ein zweites Mal zu lesen. Allerdings mag ich es manchmal, Bücher, die ich schon kenne, zu hören. Das erste Mal habe ich diese Buchreihe in der Weihnachtszeit vor vier Jahren gelesen. Seitdem habe ich es jedes Jahr wieder gehört. Die verschiedenen Handlungen und parallel laufenden Geschichtsstränge werden einfach nicht langweilig. Kai Meyer hat eine wunderbare Erzählsprache, die einen sofort in die Geschichte eintauchen lässt. Zudem offenbaren sich manche Geheimnisse erst nach und nach, sodass man als Leser gut miträtseln kann. Ich kann die Reihe allen empfehlen – das Alter spielt hier keine Rolle.

Majlis

Könntet ihr so mutig sein wie die Abenteurer? Welches Volk, wie die Drachen oder das Wolkenvolk, hättet ihr am liebsten als Heimat?

The gilded ones (Namina Forna; 2021 – Usborne)

The gilded ones (Namina Forna; 2021 – Usborne)

Deka wächst in Otera auf, einer fiktiven Welt, in der es für Frauen keine Rechte gibt. In Otera müssen alle Mädchen mit 16 an einem Ritual teilnehmen, bei dem ihr Blut für rein erklärt wird. Erst dann werden sie zur Frau und müssen ihr Gesicht mit einer Maske verhüllen. Doch was, wenn ihr Blut unrein ist?

Deka war schon immer Außenseiterin, denn durch die Süd-oterische Hautfarbe ihrer verstorbenen Mutter sticht sie in ihrem Dorf Irfut im Norden des Landes ziemlich heraus. Auch deshalb ist sie so nervös am Tag des Rituals. Dabei hat ihr Vater ihr tausendmal versichert, dass alles gut gehen wird. Schließlich wurde zuletzt vor mehreren Generationen ein Dämon gefunden – die Bezeichnung für Mädchen mit unreinem Blut. Doch dann wird Dekas Dorf von sogenannten „Deathshrieks“ angegriffen. Monstern, die eine große Bedrohung für ganz Otera darstellen. Und noch während Panik ausbricht, muss Deka feststellen, dass in ihren Adern goldenes und kein normal rotes Blut rinnt. Ihre Welt versinkt im Chaos. 

Sie ist also ein Dämon. Unsterblich. Zumindest fast. Sie kann nur auf eine einzige Art getötet werden – und die kennt nicht mal sie selbst. Nachdem sie mehrere Monate in einer Gefängniszelle verbringen muss, wird sie endlich von einer Abgesandten des Kaisers gerettet. Deka erfährt, dass es viel mehr unreine Mädchen in ganz Otera gibt, als sie dachte. Nun reist sie gemeinsam mit ihrer neuen Freundin Britta, auch eine gerettete Dämonin, in die Hauptstadt, um mit anderen Mädchen trainiert zu werden. Trainiert, um ihre einzigartigen neuen Kräfte zu nutzen, aber vor allem trainiert, um diese gegen die Deathshrieks zu verwenden. 

Endlich ist Deka nicht mehr fehl am Platz, inmitten all der anderen Verstoßenen. Hier können die Alaki, so werden die Mädchen jetzt genannt, endlich Freunde finden und sich zu Hause fühlen. Doch dann entdeckt sie Fähigkeiten an sich, die keine der anderen zu haben scheint. Ist sie etwa immer noch nicht an dem Ort, an den sie gehört? Nach und nach offenbart sich ihr, dass nichts ist, wie sie es immer geglaubt hat….

„Ich wollte schon immer ein Buch schreiben, das Mädchen zeigt, dass sie Heldinnen sein können und dass sie für das Richtige kämpfen können.“ – Namina Forna

Das ist ihr auch ziemlich gut gelungen. Zum Einen ist Dekas Geschichte total fesselnd und es macht Spaß, mit ihr gemeinsam nach und nach alle Puzzelteile zusammenzufügen. Zum Anderen zeigen diese Mädchen in einer fiktiven Welt, wie stark Mädchen und Frauen sein können und dass sie sich niemals von Männern unterdrücken lassen sollten. Es fiel mir am Anfang schwer, alles zu verstehen, da es viele erfundene Namen und Bezeichnungen gibt, aber da gewöhnt man sich dran. Einige Szenen sind sehr brutal, im Kontext passt das jedoch.

Ich kann den Roman sehr empfehlen. Für alle, denen das Buch gefällt – nächstes Jahr soll ein zweiter Band erscheinen! 🙂

Majlis

Die Geschichte ist ja sehr vielseitig: Feminismus, Freundschaft, Kämpfe, Geheimnisse,… Welcher Aspekt hat euch am besten gefallen, bzw. war für auch am wichtigsten?

Die deutsche Version findet ihr unter „Die Göttinen von Otera – Golden wie Blut“, die im Loewe Verlag erschienen ist.

10 Tage im Herzen der Ferne (Nico Mateew; 2021, self-publisher)

10 Tage im Herzen der Ferne (Nico Mateew; 2021, self-publisher)

„Wer wenig braucht ist frei.“ (Zitat aus ‚10 Tage im Herzen der Ferne‘)

Was macht man, wenn man einen gut bezahlten und sicheren Job in einer großen Firma hat, der einen aber eigentlich nicht erfüllt? Und woran merkt man das? Ist es einem plötzlich klar oder ist es ein Prozess, in dem man immer unzufriedener wird?

Nico Mateew beschreibt diesen Vorgang und die Flucht daraus in seinem Buch „10 Tage im Herzen der Ferne“. Zunächst wird die Entwicklung des Managers in der besagten Firma beschrieben, in der er sich zunehmend die Frage stellt, ob es überhaupt jemand merken würde, wenn er plötzlich nicht mehr da wäre … Auf einer Reise in Bulgarien beschließt er, für 10 Tage rauszukommen und wegzufahren. Doch wohin?

Das Ziel wird Albanien. Und weil er nicht einfach nur Urlaub machen möchte, sucht er sich zwei Begleiter, mit denen er einen Film drehen möchte – eine Dokumentation über ein unbekanntes Land, seine Menschen und deren Küche. Doch einmal in Albanien angekommen funktioniert sein Plan plötzlich nicht mehr so, wie er es sich vorgestellt hat und auch er muss lernen, sich auf das Land einzulassen. Bei diesem Prozess entstehen spannende, interessante, lustige und bewegende Gespräche, die einen Albanien von seiner ganz eigenen Seite kennenlernen lassen …

Dieses Buch thematisiert sehr anschaulich und verinnerlichend die Wirkung von Vorurteilen. So besteht ja häufig zum Beispiel ein gewisses Misstrauen gegenüber der Bevölkerung der in manchen Teilen etwas weniger entwickelten osteuropäischen Länder, jedoch ist es eigentlich so, wie Jetmir im Buch sehr treffend formuliert: „Die Gedanken sind frei, und derjenige, der kompliziert denkt, ist ein Problem für sich selbst, andere wissen ja nicht, dass man schlecht über einen denkt.“

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich einen Augenblick gebraucht habe, um die Geschichte gerne zu mögen, denn der Alltag in der Firma hat sich sehr gezogen. Aber letztendlich war es genau das, was am Ende diese besondere Wirkung hervorgerufen hat. Man soll Vorurteile begraben, offen für Neues sein und den Tag leben und nutzen, das ist die Nachricht von diesem Buch. Mateew schreibt in seinem Nachwort ein Zitat von Sir Philip Anthony Hopkins auf: „Keiner von uns kommt hier lebend raus. Also hört bitte auf, euch als Nebensache zu betrachten. Esst köstliches Essen. Spaziert im Sonnenschein. Springt in den Ozean. Sagt die Wahrheit und tragt eure Herzen auf der Zunge. Seid albern. Seid nett. Seid komisch. Für nichts anderes ist Zeit.“

Habt ihr so auch schonmal gedacht? Dann lest unbedingt dieses Buch! Habt ihr nicht so gedacht? Lest das Buch trotzdem! Denn es öffnet einem wirklich die Augen und man lernt nochmal die ein oder andere Seite von sich selbst kennen …

Lena

Und? Wer hat Lust, nach Albanien zu fahren? Und ging es euch auch schonmal so in einem Land?

Café Hanoi (Fernando Boner; 2021 – Verlag am Rande)

Café Hanoi (Fernando Boner; 2021 – Verlag am Rande)

„Raus in die große weite Welt!“ – diesem Satz kann man sehr unterschiedlich begegnen. Mit Vorfreude, mit Angst oder vielleicht mit beidem zugleich?

Die junge Schweizerin Amy lebt schon ihr ganzes Leben lang in der Kleinstadt Salenz. Einerseits fühlt sie sich dort inzwischen eingeengt und möchte aus dem Schema der immer gleichen Tage mit den immer gleichen Menschen an den immer gleichen Orten ausbrechen. Andererseits hat sie keine Idee, wie sie das tun soll, und traut sich auch nicht so richtig, die vertraute Heimat hinter sich zu lassen. Bis sie auf Jasmyn trifft. 

Jasmyn lebt eigentlich als erfolgreiche Modedesignerin in Vietnam, hat aber kürzlich herausgefunden, dass sie eigentlich aus Salenz stammt. Als sie in die Schweiz reist, um ihre Vergangenheit besser kennenzulernen, erfährt sie von Amys Zwiespalt und lädt sie kurzerhand ein, für einen Monat als ihre Assistentin mit nach Hanoi in Vietnam zu kommen.

Vietnam ist für Amy eine ganz neue Erfahrung. Sie lernt nicht nur das Leben außerhalb ihrer Heimat zu schätzen, sondern entdeckt auch eine ganz neue Seiten und verborgene Talente an sich selbst. Vietnam möchte sie nicht wieder verlassen, und so verlängert sie ihren Aufenthalt. Doch dann geschehen mehrere Dinge, die ihr neues Leben ins Wanken bringen und nicht nur Amys Gesundheit, sondern auch ihre Freundschaft zu Jasmyn gefährden.

Das Konzept des Romans hat mir sehr gut gefallen. Fernando Boner erzählt eine sehr motivierende und inspirierende Geschichte. Allerdings bin ich mit dem Schreibstil nicht ganz warm geworden, da am Anfang zwar Amy selbst erzählt, aber sobald sie nach Vietnam kommen und es interessant wird, erzählen Jasmyn und ein paar andere. Amys Perspektive kommt nur noch indirekt vor. Zwar erfährt man immer noch von ihren Gedanken und Gefühlen, aber nur weitererzählt von ihrer Freundin. Zudem hat mich das Ende etwas verwirrt, da das Buch mitten in der Handlung abbricht. Toll fand ich, dass die Geschichte in Hanoi von Tag zu Tag erzählt wird und damit gut Amys anfangs unbeschwertes Leben dort verdeutlicht, aber auch die schrittweise Entwicklung ihrer Probleme und Verwicklungen spürbar wird.

Majlis

Hättet ihr Jasmyn begleitet? Hattet ihr auch schon einmal das Gefühl, euer Leben verändern zu müssen?

Ein ganzes halbes Jahr (Jojo Moyes, 2015, Rowohlt-Verlag)

Ein ganzes halbes Jahr (Jojo Moyes, 2015, Rowohlt-Verlag)

„Wieso hast du das Recht, mein Leben zu zerstören, und ich darf bei deinem nicht mitreden?“ (Lou in „Ein ganzes halbes Jahr“)

Louisa Clark ist 26 Jahre alt und wohnt zusammen mit ihren Eltern, ihrem Großvater und gelegentlich ihrer Schwester (inklusive deren Sohn) in einem kleinen Haus in Stordford unterhalb der Burg. Sie hat einen Freund, Patrick und arbeitet in einem kleinen Café, um ihre Familie finanziell zu unterstützen. Bekannt ist sie für ihren etwas eigenen Modestil, sie trägt gerne auffällige Farben und Second-Hand Kleidung. Louisa führt ein ruhiges Leben, in dem sie so weit eine Zukunft haben könnte. Doch eines Tages verkündet ihr Chef ihr, dass das Café schließen muss und sie ist schneller ihren Job los als sie gucken kann.

Louisa braucht also schnellstens einen neuen Job, da es ihrer ja so intelligenten Schwester unmöglich ist, der Familie zu helfen. Da es aber quasi keine Jobs in ihrer Umgebung gibt, ist sie gezwungen, einen Pflegejob im Grant House auf der anderen Seite der Burg anzunehmen.

So trifft Louisa auf Will. Will Trainor, Anfang dreißig, war einst ein erfolgreicher Unternehmer. Doch nach einem Unfall hat ihn eine fast vollständige Lähmung in den Rollstuhl verbannt. Er ist Tetraplegiker und weiß, dass sein Leben nie mehr so wird wie früher einmal. Aber ihm ist auch bewusst, dass er dieses Leben unter keinen Umständen führen will. Lou soll ihm im Alltag helfen, klar, wenn man weder Hände noch Füße noch sonst irgendwas bewegen kann wird es alleine auch schwierig. Aber ist das wirklich ihr einziger Job? Und warum geht ihr Arbeitsvertrag nur sechs Monate lang? Kann Louisa es schaffen, Will zu zeigen, wie schön das Leben sein kann? Kann sie ihm sein Leben wieder lebenswert machen?

Oh meine Güte, dieser Roman ist so lustig und traurig, schön und grausam, abstoßend und zum Verlieben – es ist die volle Portion an Gefühlen. Jojo Moyes hat ein wunderbares Werk verfasst, in dem sie den Wert des Lebens wunderbar hervorhebt. Louisa ist ein Mensch, den jeder von uns in seinem Leben gebrauchen könnte – immer lebensfroh und nie unterzukriegen (auch wenn sie von sich selbst etwas anderes denkt). Ich bewundere sie und denke mir jetzt so manches Mal, dass ich auch gerne ein bisschen so wäre wie sie.

Dieser Roman hat mir aber auch die Augen geöffnet. Wie kann es sein, dass sich ein Tetraplegiker nichts mehr wünscht als zu sterben? Was macht unsere Gesellschaft falsch? Diese Fragen habe ich mir beim Lesen gestellt und nicht selten habe ich Muster aus meinen Erfahrungen wiedererkannt. Es muss nicht ausschließlich Louisas auf unserer Erde geben, aber ein kleiner Hauch ihrer würde niemandem schaden – und dabei spreche ich von Kleinigkeiten, wie zum Beispiel, dass man sich über nichts mehr freut als über eine … – lest den Roman selber, es lohnt sich! Dass man echt etwas mitnimmt, merkt man kaum, denn es ist auch einfach nur lustig zwischendurch.

Ich habe den Roman als Hörbuch gehört und kann auch diese Fassung total empfehlen! Er wird gelesen von Luise Helm und es ist genial, wirklich! Und was noch genialer ist – es gibt noch einen zweiten und einen dritten Band! 😊

Lena

Und? Über was hat sich Louisa zu ihrem Geburtstag so gefreut? Und wie dachtet ihr, dass die Geschichte ausgeht?